Benutzer:Cimbail/Chorgestühl des Kölner Doms

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Chorgestühl des Kölner Doms, Nordseite, hinter dem Gestühl ein Teil der Chorschrankenmalerei
Kölner Dom, Blick vom Hauptaltar über den unteren Chor in das Kirchenschiff. Links und rechts das mittelalterliche Chorgestühl, vor 1911.
Grundriss des Kölner Doms, Chor hervorgehoben: Presbyterium mit dem Chorgestühl grün, Zwischenjoch blau, Sanktuarium mit dem Hauptaltar gelb

Das Chorgestühl des Kölner Doms ist mit 104 Plätzen das größte Chorgestühl Deutschlands. Es wurde in den Jahren von 1308 bis 1311 angefertigt. Das Chorgestühl besteht aus zwei vor den nördlichen und südlichen Chorschranken auf Fachwerk-Unterbauten aufgestellten ansteigenden Doppelreihen mit jeweils 25 Sitzen vorne und 27 Sitzen hinten.

Das Chorgestühl weist etwa 500 Holzschnitzereien von außergewöhnlicher Qualität auf, deren Schnitzer namentlich nicht greifbar sind. Übereinstimmungen in der Gestaltung und Ausführung der Motive belegen dass es sich oft um Mitarbeiter der Dombauhütte handelte, die auch den steinernen Skulpturenschmuck des Doms angefertigt haben. Zu den Schnitzereien gehören neben rein dekorativen Elementen wie Blättern und Ranken zeittypische Darstellungen von Heiligen, biblischen Szenen, dem Alltagsleben, Drolerien und einige obszöne Bilder. An einer Chorwange sind Reliefs mit antijüdischen Darstellungen angebracht, eine „Judensau“ und eine im Zusammenhang mit der Ritualmordlegende zu deutende Szene.

Die Nutzung als Gebrauchsmöbel und die regelmäßige Reinigung über einen Zeitraum von 700 Jahren, mehrere dem Zeitgeschmack geschuldete Umbauten und Oberflächenbehandlungen, aus heutiger Sicht unfachmännische Restaurierungen und Vandalismus haben dem Chorgestühl schwer geschadet. Dennoch ist es weitgehend in seiner spätmittelalterlichen Originalsubstanz erhalten und gilt als ein herausragendes Zeugnis der gotischen Schnitzkunst.

Ungeachtet seiner kunsthistorischen Bedeutung wird das Chorgestühl bis heute benutzt. Die alltägliche Nutzung des Chores mit dem Chorgestühl ist seit dem Mittelalter dem Klerus vorbehalten, insbesondere den Mitgliedern des Kölner Domkapitels. Bei besonderen Anlässen nehmen auch weltliche Würdenträger das Chorgestühl in Anspruch. Für den Papst und den deutschen Kaiser als Ehrenmitglieder des mittelalterlichen Domkapitels hat das Chorgestühl jeweils einen Ehrenplatz. Obgleich diese Ehrenmitgliedschaften heute nicht mehr bestehen, werden die Plätze bei seltenen festlichen Gelegenheiten vom Papst und dem Bundespräsidenten genutzt.

Chorgestühl des Kölner Doms, vordere nördliche Sitzreihe
Chorgestühl des Kölner Doms, erste sechs Stallen der vorderen südlichen Sitzreihe, von Osten gesehen

Nach der Grundsteinlegung des neuen Doms im Jahr 1248 wurde der Kapellenkranz mit dem Chorumgang bis etwa 1260 fertiggestellt und bereits liturgisch genutzt. Der innere Chor war bis zur Schließung des Gewölbes um 1300 eine Baustelle. Die Fertigung des Chorgestühls und weiterer Ausstattungsstücke wie der Chorpfeilerfiguren und des Hochaltars erfolgte anschließend, jedoch vor der Weihe des Domchores am 27. September 1322. Nur die Chorschrankenmalereien wurden zu einem noch späteren Zeitpunkt angebracht.[1]

Für den Bau des hölzernen Dachstuhls des Chores wurden an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert zahlreiche Zimmerleute am Bauplatz beschäftigt. Nach dessen Fertigstellung befanden sich genug Mitarbeiter in der Dombauhütte, um die Schreinerarbeiten für das Chorgestühl zügig durchführen zu können. Für das Chorgestühl konnte mithilfe einer dendrochronologischen Untersuchung und weiterer Analysen eine Fällzeit des Eichenholzes zwischen 1308 und 1311 nachgewiesen werden. Das Holz, etwa 33 Kubikmeter, stammte aus dem Rheinland und wurde in frischem Zustand verarbeitet.[1]

Bauherr des mittelalterlichen Doms und damit auch des Chorgestühls war das Kölner Domkapitel. Die Schreinerarbeiten und die Schnitzereien am Chorgestühl wurden von namentlich nicht bekannten Mitarbeitern der Dombauhütte ausgeführt. Für einige Arbeiten konnte festgestellt werden dass derselbe Künstler sowohl Schnitzereien am Chorgestühl als auch Steinarbeiten ausgeführt hat. Es wird angenommen dass zur damaligen Zeit noch keine Spezialisten für Holzschnitzerei und für die Gestaltung von Chorgestühlen existierten. Daher wurden die Schnitzereien zumindest teilweise von ohnehin in der Dombauhütte beschäftigten Bidhauern angefertigt. Das betrifft insbesondere die aus Tuff und Kalkstein gehauenen Chorpfeilerfiguren und die Marmorfiguren des Hochaltars, für die sich Entsprechungen am Chorgestühl finden. Darüber hinaus konnte mit den Mitteln der Stilkritik die Herkunft einiger Schnitzer ermittelt werden.[1]

Das Chorgestühl des Kölner Doms dient seit seiner Errichtung vorrangig Geistlichen als Sitzgelegenheit während der Heiligen Messe, allen voran den Mitgliedern des Kölner Domkapitels. Bei festlichen Anlässen nehmen auf ihm auch weltliche Würdentrger Platz, zwei Stallen am östlichen Ende sind für den Papst und den deutschen Kaiser reserviert. Beide waren spätestens seit dem Jahr 1049 Ehrenmitglieder des Kölner Domkapitels. Der Platz des Kaisers wird heute vom Bundespräsidenten eingenommen. Die Domherren beanspruchten seit dem Mittelalter die Plätze mit Ausrichtung auf den Hochaltar im östlichen Teil des Chores. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben sie ihre Plätze auf den hinteren Reihen im Westen des Chores, in der Nähe des Vierungsaltars.[1]

Östlicher Zugang zur Nordseite des Chorgestühls. Im Hintergrund unter den Sitzen jeweils zwei Vierpassreliefs.
Aufsatz einer Chorwange mit dargestellten Musikanten
Aufsatz einer Chorwange, ein Ritter reicht einer Frau im Badezuber einen Krug
Aufsatz einer Chorwange mit Beichtszene, ein Mönch und eine Nonne

Das Chorgestühl besteht aus zwei vor den nördlichen und südlichen Chorschranken auf Fachwerk-Unterbauten aufgestellten ansteigenden Doppelreihen mit jeweils 25 Stallen vorne und 27 Stallen hinten. Die Gesamtlänge beträgt 22,80 m und die Tiefe auf jeder Seite 3,87 m. Beide hinteren Sitzreihen werden durch die Chorpfeiler in Abschnitte mit neun Stallen unterteilt. Dabei weist das Chorgestühl vor den Pfeilern anstelle von Sitzen Pfeilerverkleidungen mit verzierten Bohlen auf, die ebenso hoch sind wie die Rückwände der Stallen und sich harmonisch in das Chorgestühl einfügen. Die vorderen Sitzreihen haben etwa in ihrer Mitte einen Durchgang zu den hinteren Reihen, zum oberen Chor hin befinden sich 13 und zur Vierung hin 12 Stallen.[1]

Die Chorwangen an Anfang und Ende der Sitzreihen, auch an den Durchgängen, weisen jeweils auf beiden Seiten geschnitzte Reliefs und als Aufsätze prächtig verzierten Voluten mit floralen Ornamenten und Figuren auf. Am östlichen Ende des Chorgestühls haben die oberen Reihen doppelte Wangen, zwischen denen sich eine herausnehmbare achteckige und verzierte Holzsäule gleicher Höhe befindet. Der westliche Abschluss der oberen Reihen sind jeweils zwei im rechten Winkel zueinander angeordnete Wangen, die wie die Mehrzahl der Stallen dieses Abschnitts aus dem 19. Jahrhundert stammen.[1]

Die einzelnen Stallen sind durch Zwischenwangen eingefasst, die jeweils einen Handknauf mit figürlicher oder floraler Gestaltung tragen. Die Klappsitze haben an ihrer Unterseite Miserikordien, figürlich gestaltete Stützen, die den Chorherren das unauffällige Abstützen während der im Stehen zu verbringenden Teile der Messen erlaubten. Eine Besonderheit des Kölner Chorgestühls sind die jeweils über mehrere Stallen verlaufenden Bohlen unter den Sitzen, die in jeder Stalle zwei Vierpässe mit Reliefs zeigen.[1]

Das Chorgestühl stand nicht isoliert im Raum, sodern es fügte sich in ein Gesamtkonzept ein, das Wechselwirkungen mit den übrigen Gestaltungselementen des Binnenchors beinhaltete. So entsprechen der Lage der Ehrensitze für den Papst in den nördlichen und für den Kaiser in den südlichen Sitzreihen die Darstellungen der Chorschrankenmalerei: auf der Nordseite zeigt sie die Reihe der Kölner Erzbischöfe, auf der Südseite die Reihe der deutschen Kaiser.[1]

Chorpfeilerfiguren, Chorobergadenfenster

evtl. Plan oder Übersichtsfoto (gemeinfrei)

Die Reliefs des Chorgestühls haben Vierpassrahmen, mit wenigen Ausnahmen liegende Vierpässe. Dieses Gestaltungselement wurde von der französischen Gotik wahrscheinlich aus der orientalischen Kunst übernommen. In Frankreich diente es im frühen 14. Jahrhundert zum Einfassen von Darstellungen im unteren Fassadenbereich der Kathedralen. Die einzigartige Verwendung in der Dekoration des Kölner Chorgestühls ist ein Indiz für die Arbeit von Bildhauern französischer Herkunft am Kölner Chorgestühl.[1]

Zahlreiche Schnitzereien des Kölner Chorgestühls konnten stilistisch in Gruppen zusammengefasst werden, von denen sich eine durch Ähnlichkeiten mit der Ausführung der Marmorfiguren am Hochaltar auszeichnet. Für die Statuetten des Hochaltars konnte wiederum eine Herkunft eines Künstlers aus einem lothringischen Atelier dargelegt werden. Für eine weitere Gruppe von Schnitzereien, an denen mindestens zwei Künstler beteiligt waren, konnte deren Herkunft auf das Umfeld des Hofs von Philipp dem Schönen in Paris zurückgeführt werden.[1]

Die künstlerisch besonders wertvollen Arbeiten befinden sich am Chorgestühl vorwiegend im östlichen Bereich, in der Nähe des Hochaltars. Demgegenüber fallen die Arbeiten im westlichen Teil des Chorgestühls qualitativ deutlich ab. Teilweise handelt es sich um bessere Gesellenstücke, die sich an den Vorbildern der Meister orientieren und deren Stile vermischen.[1]

Nach der Fertigstellung des Chorgestühls und der übrigen Dekoration des Domchores gab es im Dom keine Arbeit mehr für die Bildhauer, zumal es zu einer längeren Bauunterbrechung gekommen zu sein scheint. Die Dombildhauer wurden an anderen Orten tätig und fertigten Hochgräber. Beispiele finden sich in der Magdeburger Elisabethkirche, in der Bielefelder Marienkirche und in St. Johannes in Cappenberg. Darüber hinaus prägte ihr Stil bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die Arbeiten der Kölner Bildhauerateliers.[1]

Bezüge zu späteren Chorgestühlen

Chorwange mit „Judensau“ (linker Vierpass) und Darstellung mit Bezug zur Ritualmordlegende (rechter Vierpass)

Am Chorgestühl des Kölner Doms konnte aufgrund seiner Größe ein sehr umfangreiches Bildprogramm verwirklicht werden. Dabei kommen rein dekorative Elemente wie florale Dekore und figürliche Darstellungen etwa gleich häufig vor, nur die Miserikordien sind überwiegend figürlich gestaltet. Bei den Knäufen und Vierpassfüllungen wurde dafür Sorge getragen, dass sich ornamentale und bildliche Darstellungen abwechseln.[1]

Die floralen Elemente sind ungewöhnlich üppig und dabei detailliert gearbeitet. Bei den Figuren und szenischen Darstellungen fällt auf dass sie Drolerien und Menschen in eher alltäglichen Situationen den Darstellungen von Szenen aus dem Alten Testament und Symbolen der christlichen Ikonographie gegenüberstellen. Darin zeigt das Bildprogramm des Chorgestühls Parallelen zu einigen Werken der mittelalterlichen Buchkunst und zur Gestaltung der Fassadensockel und Portale mittelalterlicher französischer Kathedralen.[1]

Das Gesamtbild des Kölner Domchors unter Einschluss des Chorgestühls, der Chorschrankenmalerei, der Chorpfeilerfiguren und der Glasfenster des Obergadens wurde als Abbild einer Kathedralenfassade interpretiert, mit Darstellungen unheiliger Fabelwesen, des Alltagslebens, weltlicher Herrscher, Apostel und Heiliger. Das Chorgestühl ist in diesem Sinne betrachtet das Ebenbild des Sockels einer Kathedrale.[1]

An vielen Stellen finden sich einander gegenüber gestellte Bezüge zum Alten und Neuen Testament, die sich aus heutiger Sicht nicht leicht erschließen. So zeigt eine Pfeilerverkleidung auf der Südseite des Chorgestühls die Vertreibung Adam und Evas aus dem Paradies. Ihr gegenüber auf der Nordseite wird die Opferung Isaaks dargestellt, die zwar auch eine alttestamentarische Szene darstellt, aber im Mittelalter auch den Kreuzestod Christi symbolisierte. Ein weiteres Beispiel für die symbolisierte christliche Heilserwartung ist die Darstellung eines Pelikans auf einem Vierpass unter einem Sitz der hinteren südlichen Sitzreihe. Vom Pelikan wurde im Mittelalter angenommen dass er seine Jungen mit seinem eignen Blut nährt, das wurde als Symbol für den Opfertod Jesu verstanden.[1]

mit Bezügen zu früheren / späteren (Magdeburg) Chorgestühlen

Beispiele für eingehend erforschte Darstellungen

Der mittlere Eingang auf der Nordseite weist zwei Gegenüberstellungen von Laster und Tugend auf. Rechts befinden sich auf der Außenseite der Chorwange zwei Vierpässe mit antijüdischen Darstellungen. Der linke Vierpass zeigt eine Darstellung der Judensau. Dargestellt sind drei Juden, die eindeutig an ihren Judenhüten zu erkennen sind. Einer von ihnen hält ein Schwein, der zweite füttert es, und der dritte trinkt an einer Zitze. Der rechte Vierpass zeigt zwei Juden. Einer von ihnen stülpt einen Bottich um, aus dem eine Sau mit drei Ferkeln fällt. Der zweite Jude führt einen Jungen heran. Die Darstellung wird als das Fortwerfen des Schweinefleischs und sein Ersetzen durch das Fleisch eines chrstlichen Kindes verstanden. Damit ist die Darstellung als Wiedergabe der Ritualmordlegende zu verstehen. Die Annahme wird dadurch gestützt, dass nicht lange vor der Anfertigung des Chorgestühls, im Jahr 1287, der 16-jährige Werner von Oberwesel unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen war. Werner wurde bereits kurz nach seinem Tod und bis 1963 als christlicher Märtyrer verehrt. Die zu seinem Gedenken in Bacharach errichtete Wernerkapelle befand sich am Beginn des 14. Jahrhunderts im Bau.[1]

Die dargestellte Judensau, nicht jedoch die unmittelbar daneben gezeigte Ritualmord-Darstellung, war Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts wiederholt Gegenstand öffentlicher Kritik. Der Forderung nach dem Entfernen der Darstellung hielt die damalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner entgegen, das das Chorgestühl als Kulturzeugnis insgesamt geschützt und erhalten werden müsse.[1]

Als Sinnbilder der Gerechtigkeit sind den antijüdischen Darstellungen auf der gegenüberliegenden Chorwange zwei Szenen gegenübergestellt. Rechts wird das bekannte salomonische Urteil dargestellt, mit dem Salomo unter zwei um ein Kind streitenden Frauen die wahre Mutter ermittelt. Links daneben befindet sich eine der frühesten mittelalterlichen Darstellungen des Schießens auf den toten Vater. Das Motiv geht auf die Zeit um 400 n. Chr. zurück und diente damals im Talmud als Illustration der „gerechten Verteilung des Eigentums“. In der ursprünglichen Version wird durch einen Rabbi unter den zehn Söhnen eines Verstorbenen der einzige leibliche Sohn dadurch ermittelt, dass dieser sich weigert an das Grab des Vaters zu klopfen damit dieser komme und erkläre wer der richtige Erbe sei. Die mittelalterliche christliche Kunst nahm das Motiv mit einer geringeren Zahl von Söhnen auf, die auf den toten Vater zu schießen hatten. Der Rabbi wurde dabei ersetzt, vorzugsweise durch Salomo.[1][2]

Das gesamte Chorgestühl steht auf einer Balkenkonstruktion, die ihrerseits auf dem teilweise erhaltenen historischen Schieferboden des Chores ruht. Es wurde ausschließlich saftfrisches Eichenholz aus dem Rheinland verarbeitet. Alle Einzelteile sind aus ca. 10 cm starken Brettern von Zimmerleuten vorgefertigt worden. Sie sind weigehend gleichförmig und tragen Versatzmarken, die im Osten mit der römischen Ziffer „I“ beginnen. Die Vorfertigung in der Art eines Baukastensystems diente zur Rationalisierung von Herstellung und Aufbau. Dadurch konnte das Chorgestühl in einem Zeitraum von nur vier Jahren vollendet werden. Beim Zusammenbau wurden alle nicht beweglichen Teile verzapft, nur die Sitzflächen haben Scharniere.[1]

Die Umrisse der Reliefs wurden vor der Übergabe an die Bildhauer vorgerissen.

Mittelalterlicher Aufbau

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Chor des Kölner Doms mit Blick nach Südosten. Unten die südlichen Reihen des Chorgestühls, dahinter Chorschranken und Chorumgang, erkennbar die Chorpfeilerfiguren, oben die historischen Obergadenfenster, vor 1911.

Die Ausstattung des Domchores im frühen 14. Jahrhundert war prunkvoll und von Farbigkeit geprägt. Heute noch vorhandene Zeugnisse dafür sind das Chormosaik, die Chorpfeilerfiguren und die Chorschrankenmalereien. Nur das Chorgestühl blieb als Gebrauchsmöbel für die Chorherren und andere Würdenträger ungefasst und zeigte über Jahrhunderte - und heute annähernd wieder - seinen natürlichen Farbton.[1]

Der Chor selbst erfuhr über die Jahrhunderte umfangreiche Veränderungen. Anfang des 14. Jahrhunderts waren sowohl das Sanktuarium mit dem Hochaltar als auch das Presbyterium mit dem Chorgestühl zum Zwischenjoch hin mit Abschlussgittern versehen, in denen sich jeweils eine Mitteltür befand. Die Westseite des Binnenchores war zur Vierung hin mit einer provisorischen Mauer abgeschlossen, in deren oberer Hälfte sich ein monumentales Wandgemälde befand. Die mehr als acht Meter hohe Malerei zeigte Christus auf einem Thron sitzend, flankiert von den Aposteln Petrus und Paulus.[3] Der Zugang zu Sanktuarium und Presbyterium war nur aus dem Chorumgang durch zwei Chorportale mit Gittertüren auf beiden Seiten des Zwischenjochs möglich, von dort führte der Weg durch die Abschlussgitter in den oberen oder unteren Chor.[4]

Eine bis heute ungeklärte Frage ist die nach der Wandgestaltung hinter dem Chorgestühl. Die Chorschrankenmalerei ist erst nach 1330 entstanden. Möglicherweise gab es Wandteppiche oder hölzerne Rückwände, die später verloren gingen. Der Kunsthistoriker Anton Legner vermutete an dieser Stelle den Standort der verschollenen gotischen Reliquienschränke des Kölner Doms.[1]

Abschluss der südlichen Sitzreihe, zum Hauptaltar hin

Der westliche Teil des Chorgestühls wurde im 17. Jahrhundert stark verändert, und seine ursprüngliche Gestaltung lässt sich nicht mehr ermitteln. Über die mittelalterliche Gestaltung des Eingangsbereichs ist nichts bekannt. Auch die Frage ob das Chorgestühl entlang der provisorischen Westwand des Binnenchors weitergeführt wurde kann nicht mehr beantwortet werden. Die mittleren Eingänge des Chorgestühls befinden sich bis heute am ursprünglichen Ort.[1]

Erheblichen Veränderungen waren wiederum mit die zum oberen Chor hin gelegenen östlichen Abschlüssen der Sitzreihen unterworfen. Die doppelten Chorwangen, in deren Bereich die Ehrensitze für den Papst im Norden und für den Kaiser an der Südseite aufgestellt wurden, haben einen großen Teil ihrer mittelalterlichen Substanz verloren. Ursprünglich trugen sie hohe reich verzierte Aufbauten, die in der Art von Altarretabeln gearbeitet waren, und zehn Figuren unter Baldachinen trugen. Mit diesen aufwendigen Gestaltungen sollten die Ehrenplätze weiter überhöht werden.[1]

Auf den herausnehmbaren achteckigen Holzsäulen am östlichen Ende des Chorgestühls stand jeweils eine Statue, die des Papstes Sylvester auf der Nordseite und vermutlich die des Kaisers Konstantin auf der Südseite. Beide Statuen symbolisierten im Dom den Papst und den Kaiser, die nur selten persönlich erschienen. Die Ehrensitze für Papst und Kaiser dürften vor ihnen aufgestellt worden sein, oder man entfernte im Fall der Anwesenheit von Papst oder Kaiser die dann nicht erforderlichen Säulen und Statuen.[1]

Chorgestühl des Kölner Doms, nördliche Sitzreihen von Osten gesehen

Im 17. Jahrhundert wurden die westlichen Gestühlssitze in geschwungener Form neu aufgestellt. Dabei wurden die westlichen Chorwangen überwiegend zerstört. Einige erhaltene Teile befinden sich in den vorderen Chorwangen, die im 19. Jahrhundert neu gefertigt worden sind. Bei diesem Umbau wurden auch zahlreiche Miserikordien, Figurenknäufe und Bohlen mit Reliefs zerstört. Der Barockisierung fielen auch die östlichen Abschlüsse des Chorgestühls zum Opfer, dessen hoch aufragende Aufbauten von den hinteren Chorwangen entfernt und auf den vorderen Chorwangen durch das Wappen des Domkapitels ersetzt wurde. Außerdem erhielt das ursprünglich unbemalte Chorgestühl eine helle Fassung.[1]

Verloren sind auch die beiden Statuen von Papst Sylvester und dem Kaiser. Sie wurden 1770 durch zwei Marmorfiguren des Dompatrons Petrus und der Maria ersetzt, die 1665 durch den Bildhauer Heribert Neuß für den Hauptaltar geschaffen worden waren.[1]

Restaurierungen im 19. und 20. Jh.

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Das Chorgestühl erhielt im 19. Jahrhundert einen Ölanstrich in einem dunklen Eichenholzton. In der Mitte des 19. Jahrhunderts entschloss man sich dazu das Chorgestühl wieder in seinen ursprünglichen gotischen Zustand zurückzuversetzen. Die Arbeiten dazu wurden 1863 von der Werkstatt Eschenbach durchgeführt, die die verlorene Substanz historisierend neu fertigte.[1]

Auslagerung im 2. Weltkrieg

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wenn es dazu was gibt

Vor dem Wiederaufstellen des Chorgestühls wurde der Ölanstrich des 19. Jahrhunderts mit Salmiakgeist entfernt. Seither weist das Chorgestühl wieder seinen ursprünglichen Naturton auf. Ausgenommen sind die im 19. Jahrhundert gefertigten Teile, die als Folge einer Behandlung mit Spiritusbeize dunkler erscheinen.[1]

Heutiger Aufbau

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Erhaltungszustand

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Beschädigungen, fehlerhafter Zusammenbau nach Zerlegungen, historische Restaurierungen

  • Gottfried Amberg: Ceremoniale Coloniense. Die Feier des Gottesdienstes durch das Stiftskapitel an der Hohen Domkirche zu Köln bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit. Schmitt, Siegburg 1982.
  • Ulrike Bergmann: Das Chorgestühl (= Meisterwerke des Kölner Domes 3). Verlag Kölner Dom, Köln 1995, ISBN 3-922442-23-4 (48 S., zahlreiche Detailfotos).
  • Ulrike Bergmann: Das Chorgestühl des Kölner Domes, Textband und Inventarband (= Jahrbuch 1986/1987 des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz). Neusser Druckerei und Verlag, Neuss 1987, ISBN 3-88094-600-0 (Standardwerk).
  • Ulrike Brinkmann und Rolf Lauer: Judendarstellungen im Kölner Dom. In: Kölner Domblatt 2008, 73. Folge, S. 13–58, ISBN 978-3-922442-65-3.
  • Georg Bönisch: Bartholomäusnacht am Rhein. In: Spiegel Geschichte 2015, Heft 1, S. 80–83, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fmagazin.spiegel.de%2FEpubDelivery%2Fspiegel%2Fpdf%2F131459928~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D PDF 1,4 MB.
  • Gottfried Göller: Die musizierenden Engel an den Chorpfeilern des Kölner Domes. In: Ursula Eckart-Bäcker (Hrsg.): Studien zur Musikgeschichte des Rheinlandes III (= Beiträge zur Rheinischen Musikgeschichte Heft 62). Arno Volk, Köln 1965, S. 4–16, ZDB-ID 551669-9.
  • Klaus Hardering: Kölner Motive am Magdeburger Chorgestühl. In: Kölner Domblatt 1985, 50. Folge, S. 53–62.
  • Reinhard Hoeps: Bildersturm im Dom zu Köln? Vom Umgang mit der ›Judensau‹ im Chorgestühl des Kölner Domes. In: Kölner Domblatt 2008, 73. Folge, S. 249–256, ISBN 978-3-922442-65-3.
  • Ernst Hollstein: Jahrringchronologien aus dem Chorgestühl im Kölner Dom. Nachwort von Arnold Wolff. In: Kölner Domblatt 1967, 26. und 27. Folge, S. 57–64.
  • Karl-Heinz Kreuzberg: Die Konstruktion und andere technologische Aspekte des Chorgestühls im Kölner Dom. In: Kölner Domblatt 1994, 59. Folge, S. 137–176.
  • Anton Legner (Hrsg.): Verschwundenes Inventarium. Der Skulpturenfund im Kölner Domchor. Katalog zu einer Ausstellung des Schnütgen-Museums der Stadt Köln und der Dombauverwaltung des Metropolitankapitels in Köln. Schnütgen-Museum, Köln 1984, OCLC 901074959.
  • Katharina von Miller: Die Möbelrestaurierung in der Denkmalpflege. Volk-Verlag, München 2015. Zugleich Dissertation, TU München 2012, ISBN 978-3-86222-199-8.
  • Rainer Palm: Das Maßwerk am Chorgestühl des Kölner Domes. In: Kölner Domblatt 1976, 41. Folge, S. 57–83.
  • Heribert Reiners: Die rheinischen Chorgestühle der Frühgotik. Ein Kapitel der Rezeption der Gotik in Deutschland (= Studien zur deutschen Kunstgeschichte, 113. Heft). Heitz & Mündel, Straßburg 1909, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Dgri_33125006433185_0143~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D, PDF 9,5 MB.
  • Björn R. Tammen: Das Chorgestühl des Kölner Domes – Eine Quelle zur Musikikonographie des 14. Jahrhunderts. In: Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft für rheinische Musikgeschichte e. V. 1992, Band 79, S. 151–159, ZDB-ID 205978-2.
  • Willy Weyres: Derœ reiche Prasser und der arme Lazarus am Chorgestühl des Kölner Doms. In: Kölner Domblatt 1976, 41. Folge, S. 237–239.
  • Willy Weyres: Dieœ Zähmung des Aristoteles durch Phyllis im Chorgestühl des Kölner Doms. In: Kölner Domblatt 1974, 38. und 39. Folge, S. 157–160.
  • Willy Weyres: Empirie und Intuition. Bemerkungen zu zwei Mönchsdarstellungen am Chorgestühl des Kölner Doms. In: Kölner Domblatt 1975, 40. Folge, S. 213–216.
Commons: Chorgestühl des Kölner Doms – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac Ulrike Bergmann: Das Chorgestühl
  2. Paul Boesch: Schiessen auf den toten Vater: ein beliebtes Motiv der schweizerischen Glasmaler. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 1954-1955, Band 15, Nr. 2, S. 87–92, Tafel 31–34, Online PDF 10,2 MB.
  3. Matthias Joseph de Noël: Der Dom zu Köln. Historisch-archäologische Beschreibung desselben. M. DuMont-Schauberg, Köln 1834, S. 46–47, Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Dbub_gb_MClFAAAAYAAJ~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3Dja~LT%3D~PUR%3D.
  4. Ulrike Bergmann: Das Chorgestühl des Kölner Domes, Textband, S. 12–13.

Kategorie:Chorgestühl (14. Jahrhundert) Kategorie:Kunstwerk der Gotik Kategorie:Gotik in Deutschland Kategorie:Holzschnitzerei (14. Jh.)