Benutzer:EH⁴²/Nahrungsmittelverlust und Nahrungsmittelverschwendung

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Unter Nahrungsmittelverlust und Nahrungsmittelverschwendung (englisch food loss and food wastage) wird sowohl das Verlorengehen als auch die teilweise vermeidbare Vernichtung von Nahrungsmitteln verstanden.

Dabei ist gemäß der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) folgende Unterscheidung zu beachten:[1]

Das gesamte Aufkommen an Nahrungsmittelmüll, das entsorgt wird, lässt sich in zwei Gruppen unterteilen:

a) in den Verlust von Nahrungsmitteln, die während der Produktion, der Nacherntephase oder der Verarbeitung anfallen, ebenso wie den Verlust, der durch unangepassten Transport, unangepasste Lagerung, unzureichende Verpackung in diesen Phasen zustandekommt, oder, wenn gar die ganze Verarbeitung unzureichend ist (engl. food loss)[1];

b) in die Verschwendung von Nahrungsmitteln durch Händler oder Konsumenten, obwohl diese noch genießbar sind (engl. food wastage)[1]. Hinter dieser Verschwendung können Systemzwänge im Groß- und Einzelhandel stehen, aber auch das Fehlverhalten von Konsumenten. Das letztgenannte Tun ist mit einem mehr oder minder ausgeprägten Vorsatz behaftet.

Nahrungsmittelverschwendung ist also nur für eine Teilquantität dessen verantwortlich, was als Aufkommen an Nahrungsmittelmüll zustandekommt. Das Verhalten, das zur Nahrungsmittelverschwendung führt, ist in weiten Grenzen beeinflussbar. Aber auch der Verlust von Nahrungsmitteln kann durch sinnvolle Gesetze und Verordnungen, zuweilen auch durch sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit, eng begrenzt werden.

Karte des Anteils an unterernährten Menschen an der Gesamtbevölkerung nach Staat

Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

International[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2011 gab die FAO eine internationale Studie mit dem Namen „Global Food Losses and Food Waste"[2] in Auftrag, welche die derzeitige Situation der Nahrungsmittelverluste untersuchen sollte. Mit der praktischen Durchführung der Studie wurde das Swedish Institute for Food and Biotechnology betraut. Nach dieser Studie gehen weltweit jährlich etwa 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel verloren oder werden entsorgt, was etwa einem Drittel der gesamten weltweiten Jahresproduktion entspricht.[3]

In den Industriestaaten würden 40% der Nahrungsmittelverluste aus völlig genießbaren Lebensmitteln bestehen, die von Händlern oder Konsumenten aus verschiedenen Gründen entsorgt werden. Die Industriestaaten würden auf diese Weise jedes Jahr etwa 220 Millionen Tonnen genießbarer Lebensmittel wegwerfen, was etwa der gesamten Nahrungsmittelproduktion aller afrikanischen Länder südlich der Sahara (insgesamt 230 Millionen Tonnen) entspricht.[4] Nach einer Information der Internetausgabe der Zeitung Die Welt könnten von der weltweiten Produktion etwa 12 Milliarden Menschen ernährt werden.[5]

In den unterschiedlichen Regionen der Erde sehen die Größenverhältnisse etwa wie folgt aus: In Europa und Nordamerika werden im Durchschnitt pro Kopf und Jahr etwa 115 kg Lebensmittel verschwendet oder vergeudet. In ärmeren Regionen wie Südostasien und Afrika sind es dagegen bis zu 11 kg pro Kopf und Jahr. [6]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im März 2012 wurde für Deutschland eine Studie[7] des Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart im Auftrag des Verbraucherschutzministeriums veröffentlicht, welche von einer jährlichen Nahrungsmittelverschwendung in Höhe von 11 Millionen Tonnen ausgeht.[8] Von diesen sollen etwa 60% in Privathaushalten weggeworfen werden, umgerechnet etwa 82 kg pro Einwohner jährlich. Rund 17% entfallen auf Großverbraucher wie Gaststätten, Schulen oder Kantinen sowie auf die Industrie. Die übrigen 5% fallen im Einzelhandel an. Der Untersuchung nach waren zwei Drittel der von Privathaushalten entsorgten Abfälle ganz oder teilweise vermeidbar. Dies entspricht einer Menge von jährlich etwa 53 kg pro Einwohner. Insgesamt würden den Haushalten dadurch Kosten von knapp 22 Milliarden Euro entstehen.

Nach Angaben des Braucherschutzmministeriums ist es die erste Studie, die im Detail die Nahrungsmittelverschwendung in Deutschland untersucht. Sie erfasse demnach die verschiedenen Stationen von der Verarbeitung über den Vertrieb bis zum Verbraucher. Bislang lagen dazu nur Schätzungen vor, die von 6,5 bis 20 Millionen Tonnen reichten. Am häufigsten würden Gemüse und Obst mit einer Quote von etwa 44% weggeworfen werden.[9][10][11]

Etwa zeitgleich wurde das Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft (iSuN) der Fachhochschule Münster vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MKULNV) in Nordrhein-Westfalen beauftragt, eine Studie durchzuführen, mit dem Schwerpunkt der Identifikation von Ursachen und Handlungsoptionen zur Verringerung von Lebensmittelabfallen in Nordrhein-Westfalen.[12]

Ursachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ursachen von Nahrungsmittelverschwendung unterscheiden sich stark zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern. In letzteren herrschen überwiegend Nahrungsmittelverluste, etwa durch eine mangelhafte Lagerung, einen mangelhaften Transport sowie eine unzureichende Verpackung oder Verarbeitung. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 40% der Verluste bereits beim Weg vom Hersteller zum Verbraucher entstehen. Nach Aussage des FAO-Autors Tristram Stuart würden dadurch jährlich 150 Millionen Tonnen Getreide verloren gehen, was etwa das Sechsfache dessen ist, was nötig wäre, um den Welthunger zu beenden.

In den Industrieländern wiederum würden 40% aller Lebensmittel von Händlern oder Verbrauchern weggeworfen werden, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten sei, die Lagerkapazitäten ausgeschöpft wären oder die Lebensmittel aus kosmetischen Gründen aussortiert werden.[4]

Auswirkungen auf Klima und Umwelt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nahrungsmittelverschwendung hat nicht nur eine Auswirkung auf die globale Ernährungssituation, sondern auch auf das Weltklima. Laut einer Erhebung der FAO aus dem Jahr 2006 sei der globale Viehsektor für 18% aller menschengemachter Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dies ist auch gefährlich für die globale Nahrungsmittelproduktion selbst, da die Ausweitung von Anbau- und Weideflächen immer mehr Wald vernichte. Ein großer Waldverlust würde die globale Erwärmung beschleunigen und damit auch die landwirtschaftlichen Erträge mindern. Das könne nach Befürchtungen des UN-Umweltprogramms UNEP sogar bis zu einer globalen Missernte führen.[4][13]

Laut einer Studie des Öko-Instituts könnten bis zum Jahr 2030 mehr als 110 Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart werden, wenn die Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten nur leicht ändern würden. Dies entspricht einem Viertel der Treibhausgase aus der Nahrungsmittelproduktion.[4]

Lösungsvorschläge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Haltbarkeitsdatum auf dem Etikett einer Packung Fleisch.

In den Entwicklungsländern können laut Aussage von Tristram Stuart vergleichsweise einfache technische Mittel den Verlust von Nahrungsmitteln senken. Als Beispiel führt er Pakistan an, bei dem die Vereinten Nationen etwa 9 % aller Bauern mit Metallcontainern als Ersatz für die herkömmlichen Jutesäcke und Lehmkonstruktionen zum Lagern von Getreide versorgt hätten, wobei bis zu 70 % weniger Verluste eingefahren wurden. Das Worldwatch Institute möchte darüber hinaus die Bauern besser vernetzen. So sollen etwa durch gemeinsame Gesellschaften die landwirtschaftlichen Produkte besser vermarktet und die Kleinunternehmer konkurrenzfähiger gegenüber den großen Agrarunternehmen werden.

Für die Industrieländer schlägt das Worldwatch Institute vor, die Mindesthaltbarkeitsdaten zu verlängern, da diese heute oftmals zu kurz bemessen seien. Außerdem solle in den Schulen bereits über nachhaltigen Konsum aufgeklärt und eine Umsatzsteuer auf umwelt- und klimaschädliche Produkte eingeführt werden. Darüber hinaus empfiehlt das Institut einen Veggieday pro Woche, an dem in öffentlichen Kantinen und Schulen ausschließlich vegetarisches Essen ausgegeben werden soll.[4]

Bereits umgesetzte Abhilfemaßnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Schritt von Seiten der Europäischen Union in die richtige Richtung besteht darin, dass sie vor einiger Zeit beschlossen hat, 26 der einst 36 Obst- und Gemüsenormen kurzerhand wieder abzuschaffen.[8] Etwa drei bis zehn Prozent der Ernte entspricht nicht den Industrienormen. Wie viel genau, hängt von der jeweiligen Sorte und vom Wetter im Laufe des Jahres ab. Ein größerer Teil dieses prozentualen Anteils kann mit dieser EU-Maßnahme nun doch auf den Markt gelangen.[8]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Lebensmittelabfall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Jenny Gustavsson et al.: Global food losses and food waste: study conducted for the international congress "Save Food!" at Interpack2011, Düsseldorf, Germany. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom 2011, ISBN 978-92-5-107205-9, darin auf S. 2 (englisch)
  2. Jenny Gustavsson et al.: Global food losses and food waste: study conducted for the international congress "Save Food!" at Interpack2011, Düsseldorf, Germany. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom 2011, ISBN 978-92-5-107205-9 (englisch)
  3. Cutting food waste to feed the world: Over a billion tonnes squandered each year Food and Agriculture Organization of the United Nations online, Media Centre, Nachricht vom 11. Mai 2011 (englisch)
  4. a b c d e n-tv: „Ein Drittel aller Nahrungsmittel: Verschwendung ist schockierend“, vom 3. September 2011
  5. Die Welt: „Organisationen kämpfen gegen Lebensmittelverschwendung“, vom 17. Main 2011
  6. Riesige Verschwendung: Ein Drittel aller Lebensmittel landet nicht im Magen ARD Tagesschau online, 16. Mai 2011
  7. M. Kranert et al.: Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland. [Projektlaufzeit 01.06.2011 bis 29.02.2012 / Projektförderung: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Projektpartner: Universität Stuttgart, Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft, Lehrstuhl für Abfallwirtschaft und Abluft ...]. ISWA (Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft), Stuttgart 2012. Auch online: http://www.zugutfuerdietonne.de/uploads/media/Studie_Langfassung.pdf (PDF; 5,3 MB).
  8. a b c Alexandra Endres: Nahrungsmittel: Gemüse, jung und wild., in: Zeit online, 8. November 2013
  9. Der Stern: „Jeder Deutsche wirft 81 Kilo in den Müll“, vom 13. März 2012
  10. Presseerklärung der Universität Stuttgart vom 15. März 2012, Titel: „Zu gut für die Tonne“
  11. Die Zeit: „Tonnenweise in den Müll“, 16. August 2011
  12. FH Münster (iSuN): „Verringerung von Lebensmittelabfällen – Identifikation von Ursachen und Handlungsoptionen in Nordrhein-Westfalen“ (PDF; 20,5 MB), vom März 2012
  13. Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Lebensmittel: Zwischen Wertschätzung und Verschwendung, vom 14. Oktober 2013

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