Benutzer:GerhardSchuhmacher/Reagan-Demo

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Ronald Reagan, Richard von Weizsäcker und Helmut Schmidt am 11. Juni 1982 am Checkpoint Charlie

Im Juni 1982 unternahm US-Präsident Ronald Reagan eine 10tägige Europareise im Zusammenhang mit der NATO-Ministerkonferenz am 9. und 10. Juni 1982 in Bonn. Seine letzte Station war am 11. Juni 1982 Berlin (West). Reagans Absicht war zu dieser Zeit, auf die wachsende Besorgnis der Europäer über die massive Aufrüstung der USA zu reagieren, die einen auf Europa konzentrierten Atomkrieg möglich erscheinen lies. Auch in den USA hatte der Widerstand gegen seine Politik zugenommen. Kurz vor dem Besuch - am 25. Mai 1982 – kam es noch zu einer überraschenden Entspannungsinitiative der Sowjetunion, die seinem harten Kurs noch mehr Boden zu entziehen drohte. Reagan verkündete nun seinerseits umfangreiche Verhandlungsangebote, die er zur „Berliner Initiative“ erklärte. Die Friedensbewegung reagierte auf den Besuch mit einer erfolgreichen Mobilisierung am 10. Juni in Bonn und Berlin. In der ‚Mauerstadt‘ kam es am Besuchstag, den 11. Juni, im Rahmen einer zweiten, verbotenen Demonstration zu den heftigsten Straßenkämpfen der 80er-Jahre.

Politischer Hintergrund des Besuches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der sich in der Nachkriegszeit allmählich herauskristallisierende Dualismus zwischen den USA und der Sowjetunion wurde infolge der erkennbar globalen Vernichtungswirkung atomarer Waffen seit den 70er-Jahren von Verhandlungen begleitet. Dieser Prozess differenzierte sich aufgrund unterschiedlicher Waffensysteme, den geopolitischen Verhältnissen, neuen Machtfaktoren – zum Beispiel China – und auch von geistig-ideologischen Veränderungen (Menschenrechtsfragen in der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, KSZE, Helsinki) immer weiter aus.

Der US-Präsident Jimmy Carter hatte zu der permanent gegebenen qualitativen Überlegenheit der USA in der Waffentechnologie noch eine moralische Überlegenheit zu demonstrieren versucht, indem er die Menschrechtsfrage, in der die Sowjetunion in den Vereinbarungen von Helsinki am 1. August 1975 bedeutsame Zugeständnisse gemacht hatte, „zum zentralen Instrument der Führung des Kalten Krieges“[1]nutzte. Er brachte auf diese nicht-militärische Weise in einem Klima relativer Entspannung die Sowjetunion durch die Bedrohung ihrer inneren Machtstrukturen in die Defensive, doch bewirkte er auch eine zunehmende Verhärtung der sowjetischen Haltung. Zusätzlich noch unter dem Druck der weiter bestehenden überlegenen Erstschlagskapazität der USA verlegte sich die Sowjetführung daraufhin auf eine Modernisierung ihrer Mittelstreckenraketen (SS 20) in Europa, wobei sie eine Lücke im SALT II-Abkommen ausnutzte. Der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt warnte in einer Rede im Oktober 1977 vor dem International Institute for Strategic Studies, dass „das entstehende eurostrategische Ungleichgewicht bei gleichzeitiger strategischer Parität zur Abkoppelung Europas von den USA führe“.[2]
„Mit der Stationierung dieser Waffen kehrte die UdSSR die bisherigen nuklearen Kräfteverhältnisse um.“[3]

Die europäischen Regierungen bezeichneten diese Strategie als „Geiselhaft“ und verständigten sich mit den USA am 12. Dezember 1979 auf den NATO-Doppelbeschluss,
der für den Fall einer Fortsetzung der sowjetischen Raketenmodernisierung (dem Ersatz der alten Typen SS-4 und SS-5 gegen die neuen SS 20) eine erweiterte Stationierung amerikanischer Atomraketen vor allem in Deutschland vorsah. (Pershing II, Marschflugkörper). Die Regierungen boten jedoch gleichzeitig den Verzicht auf die Stationierung bei einem Rückzug der SS 20 an. Die Sowjets, die diese „Dialektik von Verteidigungsfähigkeit und Entspannungsbereitschaft“[4] nicht so deutlich erkennen konnten, interpretierten dies als eine weitere Bedrohung und waren auch nicht mehr zum ‚politischen Stillhalten‘ bereit: Ende Dezember 1979 marschierte die Rote Armee in Afghanistan ein. Dazu kamen auch Interventionen mit kubanischen Truppen in Afrika. Nun versuchte auch Carter eine härtere Haltung einzunehmen, doch galt er – auch wegen dem mißglückten militärischen Befreiungsversuch in der Geiselnahme von Teheran zunehmend als ‚glücklos‘ und der Lage nicht gewachsen.

„In den USA verhalf die Nachricht von der sowjetischen Invasion der neuen ‚Politik der Stärke‘ endgültig zum Durchbruch (...) Die Präsidentschaftswahlen im November 1980 gewann Carters republikanischer Gegenkandidat Ronald Reagan, der im Wahlkampf angekündigt hatte, die SALT-Bemühungen endgültig auszusetzen, bis die USA ihre verlorengegangene Stärke wiedergewonnen hätten.“[5]

Im ersten Regierungsjahr beschloss Reagan 1980 völlig neue Aufrüstungsmaßnahmen (SDI, bekannt als ‚star wars‘). Strategisch ging es darum, im Kriegsfall einen atomaren Erstschlag der Sowjetunion abzufangen und im Gegenschlag einen „Sieg“ zu erringen Reagan-Doktrin. Keinerlei Einschränkungen legte sich die Reagan-Administration auch mit ihren militärischen Interventionen in Mittelamerika auf (El Salvador, Nicaragua) und mit der Finanzierung aller genehmen totalitären Regimes oder Aufständischen wie den Mudschahidin in Afghanistan.

Mit dieser martialischen Politik, die auch allgemeine Folgen von Atomwaffeneinsätzen ignorierte und Westeuropa zu opfern bereit schien, geriet Reagan in einen nachhaltigen Gegensatz zu den Europäern, die eine offensive US-amerikanische Strategie auf Kosten ihrer Existenz immer weniger akzeptierten. Insbesondere in Deutschland, wo die Entspannungspolitik von Bundeskanzler Helmut Schmidt und DDR-Staatspräsident Erich Honecker zahlreiche Erleichterungen und eine Vielfalt der Kontakte bewirkte, gab es wenig Bereitschaft, sich der US-Administration anzuschließen: „Es gab sogar Überlegungen im Kanzleramt, zur Rettung der Entspannungspolitik die ‚Politik in der Mitte des Konvois‘ der Alliierten zu verlassen und eine Konfliktstrategie gegenüber der Regierung Reagan zu wagen.“[6] Auf der anderen Seite erkannte die Sowjetführung zunehmend die wirtschaftlichen Probleme eines ungebremsten Wettrüstens und zeigte sich auch nach den Misserfolgen in Afghanistan international wieder gesprächsbereit. Dazu kam noch der Druck durch die als ‚intern‘ betrachteten Probleme, vor allem seit den August-Streiks 1980 in Polen, die eine Auflösung des Ostblocks anzukündigen schienen und 1981 eskalierten. „Die Sowjetführung signalisierte wieder Gesprächsbereitschaft (und) (...) damit war es den Europäern gelungen, die allerärgste Blockierung des Ost-West-Dialogs (...) zu überwinden.“[7]

Reagan hingegen war mit seinem massiven Konfrontationskurs und seiner aggressiven Rhetorik nicht nur in den Verdacht irrationaler Handlungsweise geraten, er hatte auch viel von der Glaubwürdigkeit verloren, auf europäische (Überlebens-)Interessen Rücksicht zu nehmen. Dazu war er zur negativen Symbolfigur der erstarkenden Friedensbewegung in der westlichen Welt geworden. Auch in den USA wuchs der Widerstand enorm - „hatten 1980 noch 56 Prozent eine weitere Rüstung befürwortet, so waren es Ende 1981 nur noch 14 Prozent. Reagan trug diesem Protest (...) Rechnung.“[8] Er bremste seine Rhetorik. „Eine Bereitschaft zu realistischer Einschätzung der Verhandlungsproblematik[...]ließ die Reagan-Regierung [1981] freilich nicht erkennen ...“[9]

Im Sommer 1982 begab sich der US-Präsident dann auf seine Europareise, um die Regierungen und die Bevölkerung mit der neu verkündeten Verhandlungsbereitschaft zu beruhigen und – aufgrund der Symbolkraft in Berlin – die unveränderte Solidarität der USA zum ‚Schutz der Freien Welt‘ zu demonstrieren.

Widerstand der Bevölkerung in der westlichen Welt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die als ‚organisierter Wahnsinn‘ in weiten Teilen der Bevölkerung empfundene Drehung an der Rüstungsspirale, gegen die in Westdeutschland auch der sich als defensiver Stratege für die Friedenserhaltung darstellende Bundeskanzler Helmut Schmidt kein Konzept bereithielt, führte vor allem in Europa und den USA zur Bildung der Friedensbewegung. Am Tag der Rückkehr Reagans in die USA, am Tag nach seinem Berlin-Besuch, dem 12. Juni, demonstrierten in New York 800.000 Menschen der ‚Nuclear-Freeze‘- Bewegung für das sofortige ‚Einfrieren‘ aller Atomwaffen. In den USA hielt man den Einfluss der Bewegung, die sich wie auch in Europa durch alle Gesellschaftsbereichen, Altersgruppen und sozialen Schichten zog, auf die Regierungspolitik für erheblich. So kommentierte Michael Harrington, Vorsitzender der ‚Democratic Socialists of America‘:
„Ronald Reagan hat bemerkenswerte Schritte in Bezug auf ernsthafte Abrüstungsverhandlungen unternommen. Wichtigster Anlaß dafür war der von der europäischen und amerikanischen Friedensbewegung ausgehende Druck.“[10] Der behauptete ‚veränderte Kurs Reagans‘ hatte auf die geplanten Gegenaktionen zu seinem Besuch keinen Einfluss mehr. In Europa fanden in allen Hauptstäden Demonstrationen statt, die es in diesem Umfang bisher kaum gegeben hatte.

Vorbereitungen und Aktivitäten im Vorfeld des Besuches[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Reagan wird von 17.000 Mann Schutzpolizei, einer Leibgarde der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes und amerikanischen Kräften gesichert (...). Im Großraum Bonn ist eine umfangreiche Luftaufklärung angelaufen (...). In den bewaldeten und schwer einsehbaren Höhenrücken rund um Bonn, die als Abschußbasis für Luftabwehrraketen vom sowjetischen „Sam“-Typ in Frage kommen könnten, haben Sondereinheiten der Polizei damit begonnen, die Wälder systematisch durchzukämmen.“[11] Befürchtet wurde, „daß die versprengten Angehörigen der ‚Roten Armee-Fraktion‘ ein ‚Kamikaze-Unternehmen‘ planen.“[12]

In Berlin gingen „Senat, Justiz und Polizei mit Härte gegen vermeintliche ‚unamerikanische Umtriebe‘ vor (...) Rund tausend gegen Präsident Reagan gerichtete Transparente und Parolen an Hausfassaden wurden bis zum Besuchstag entfernt oder übertüncht, In über 100 parolengeschmückte besetzte Häuser kamen die polizeilichen Anstreichkommandos mit einem Durchsuchungsbefehl in der Tasche. ‚Straftatbestand‘ beim ‚Lappenkrieg‘: Beleidigung oder Bedrohung.“[13]

Für den Tag vor dem Besuch - gleichzeitig zur Friedensdemonstration in Bonn - wurde auch eine Demonstration in Berlin angemeldet; für den Tag des Besuches selbst, den 11. Juni, wurde in der Stadt ein Demonstrationsverbot verhängt, das auf Klage der Alternativen Liste (AL) noch am Abend zuvor vom Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigt wurde. Die AL rief dazu auf, „sich nicht an das Verbot zu halten.“[14]

Der 9. Juni 1982: Ankunft von Ronald Reagan in Bonn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Unmittelbar nach der Landung der aus London kommenden Präsidentenmaschine ‚Air Force One‘ auf dem Köln-Bonner Flughafen um 13 Uhr flogen Reagan und seine Frau Nancy begleitet von Außenminister Genscher und Frau Bärbel mit einem Hubschrauber in die Bundeshauptstadt (...) zu einem ausführlichen Meinungsaustausch“ mit Bundeskanzler Schmidt:[15]

„Während Reagan betonte, die Entspannungspolitik habe der Sowjetunion mehr Vorteile als dem Westen eingebracht, bezeichnete Schmidt die Entspannung als einen fortlaufenden Prozeß, der vor allem in der innerdeutschen Politik Vorteile gebracht habe.“

BERLINER MORGENPOST: 10.06.1982

Reagans Rede vor dem Deutschen Bundestag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Reagan betonte, die USA seien entschlossen „die Präsenz gut ausgerüsteter und gut ausgebildeter Truppen in Europa zu erhalten, unsere strategischen Streitkräfte zu modernisieren und sie dem Bündnis zugeordnet zu belassen.“

DER TAGESSPIEGEL: Verpflichtung für Europa bekräftigt. 10. Juni 1982

Mit dieser Hervorhebung benannte das Flaggschiff der liberalen Presse, worauf es den Entspannungspolitikern ankam: Ihren Kurs beizubehalten, ohne Abstriche in der Sicherheitsgarantie der USA für Europa hinnehmen zu müssen. Selbst Axel Springers MORGENPOST kommentierte: „Mit diesem Pfund sollte der Bundeskanzler wuchern, wenn er es noch kann.“[16]Darüber, wie man das gemeinsam „angestrebte Ziel am besten erreicht“, will sich Reagan jedoch nicht reinreden lassen: „In den Vereinigten Staaten bewegen wir uns vorwärts mit den von mir im letzten Jahr angekündigten Plänen, unsere strategischen Nuklearstreitkräfte zu modernisieren. Diese Kräfte leisten einen wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung und Kriegsabschreckung.“ Immer wieder weist Reagan in seiner Rede auf Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft und Vorschläge zur Abrüstung hin.
Doch „dürfen wir nicht simplistisch annehmen, daß jede andere Nation den Frieden wünscht, den wir so dringlich ersehnen.“, meint er mit Blick auf die Sowjetunion.[17]

Auftakt zur NATO-Ministerkonferenz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Europa warf sich in Schale: „Prunk-Gala auf Schloß Brühl“ titelte die Morgenpost am 10. Juni – sogar Frankreich, das nicht Mitglied der NATO ist, war zum Empfang durch Ministerpräsident Mitterand vertreten – „ein pikantes protokollarisches Problem: (...) So wurde schließlich ein Arrangement getroffen, wonach er und US-Präsident Reagan gleichzeitig mit ihren Eskorten in Brühl vorfuhren.“[18]Neuling war „der spaninsche Ministerpräsident Calvo-Sotelo; Spanien wurde erst vor wenigen Tagen in das Bündnis aufgenommen. (...) „Wie die Allianz es seit Jahren beharrlich getan hat, muß sie gleichzeitig Verteidigungsbereitschaft und Bereitschaft zu Dialog und Zusammenarbeit zeigen“<ref<Tagesspiegel, 10. Juni 1982, S. 1.</ref>, vertiefte Bundespräsident Carl Carstens die ‚deutsche Kerbe‘.

Der 10. Juni 1982 in Bonn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Tagung der NATO-Ministerkonferenz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Eröffnungsveranstaltung waren um 10 Uhr Vertreter der 16 NATO-Nationen im Plenarsaal des Bundestages zusammengekommen.

Die Auffassung Schmidts, die er in seiner Begrüßungsrede darlegte: es gehöre „zur Sicherheitsstrategie neben der notwendigen militärischen Stärke ebenso unabdingbar das beharrliche und unbeirrbare Bemühen um Rüstungskontrolle und Abrüstung“[19]fand sich im Allgemeinen und im Detail in der Abschlusserklärung der Teilnehmer der Tagung wieder. Auch die anderen Redner, der kanadische Ministerpräsident Trudeau, NATO-Generalsekretär Luns und der spanische Ministerpräsident Calvo-Sotelo äußerten sich in diesem Sinne.

Während des Aufenthaltes von Reagan in Deutschland kam es zur einer Zuspitzung des israelisch-syrischen Krieges im Libanon: „Am Rande der NATO-Gipfelkonferenz waren (...) intensive Bemühungen im Gange, Israel zur Einstellung der Kampfhandlungen zu bewegen. Präsident Reagan sandte eine dringliche Botschaft an den israelischen Ministerpräsidenten Begin. In der Bundeshauptstadt traf auch der saudische Außenminister Prinz el Feisal ein. (...) US-Außenminister Haig teilte mit, daß Präsident Reagan und der sowjetische Staats- und Parteichef Breschnew einen schriftlichen Meinungsaustausch über den Konflikt hatten.“[20]

In der nicht-öffentlichen Sitzung der Konferenz waren neben dem israelischen Einmarsch im Libanon weiterhin die zu diesem Zeitpunkt akuten Konflikte in Afghanistan, im Krieg Englands und Argentiniens um die Falkland-Inseln, der Irak-Iran-Krieg sowie der Bürgerkrieg in Angola die Themen.

Die Demonstration der 400.000 in Bonn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Friedensbewegung feierte eine gelungenen Mobilisierung. Im Oktober des Vorjahres waren es noch 300.000 Menschen, die gegen den NATO-Doppelbeschluss demonstrierten. Am 10. Juni 1982 war das Motto „Aufstehen für den Frieden“, das eine Vielzahl von Gruppen und die weitaus überwiegende Zahl ‚unorganisierter‘ Teilnehmer vereinte. Am Nachmittag waren Redner auf vier Foren zu verschiedenen Themenbereichen verteilt – betont wurde vor allem, dass sich der Protest gegen die „Aufrüstung in Ost und West“ richte. Ein umfangreiches Kulturprogramm war organisiert. Zu Zwischenfällen kam es nur am Rande. Auf abendlichen Diskussionsverasnstaltungen wurde hervorgehoben, dass die Bewegung zwar vieles vereine, aber auch die Unterschiede diskutieren müsse (Rudolf Bahro). „‚Der Protest muß zum Widerstand werden‘,heißt es in der Abschlußerklärung.“[21]

Die Friedensdemonstration in Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Vortag des Besuchs demonstrierten in Berlin mehrere 10.000 Menschen gegen die Poltik Reagans. Die Polizei sprach von 35.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 100.000,
so dass die taz mit ihrer Meldung tags darauf von 50.000 wohl der Teilnehmerzahl am nächsten kam. Nach allgemeiner Beobachtung hatte die Demonstration - so wie gleichzeitig in Bonn - ‚Volksfestcharakter‘ und war von kabarettistischen Gruppen, von mit humoristischen und zynischen Motiven ausgestatteten Einzelgängern und von vielen kämpferischen und eher originellen Spruchbändern durchsetzt. Die Angst begann der Lust am gemeinsamen Widerstand zu weichen - eine Frage, die sich vielen Demonstranten des nächsten Tages weniger stellte.

Der 11. Juni 1982: Besuches Reagans in Berlin (West)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Die offizielle Seite des Besuches in Berlin verlief hinter einem Schirm umfangreicher Sicherheitsmaßnahmen. Reagan war um 9 Uhr 47 in Begleitung des Bundeskanzlers und der beiden Außenminister Haig und Genscher in Tempelhof gelandet und hatte nach einer Ansprache an die Angehörigen der amerikanischen Kolonie den Checkpoint Charlie besucht. Er kehrte zum Flughafen Tempelhof zurück und flog anschließend mit einem Hubschrauber zum Schloß Charlottenburg, wo er seine Ansprache an die Berliner richtete und sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug.“

DER TAGESSPIEGEL, 12. Juni 1982, S. 1.

Vor den 2.000 Ehrengästen und 30.000 ausgewählte RepräsentanantInnen der Berliner Bevölkerung hielt der amerikanische Präsident „eine der wohl bedeutensten Reden seiner Amtszeit. (...) „Ich fordere Präsident Breschnew auf, sich mir in dem ernsthaften Bemühen anzuschließen, die enttäuschten Hoffnungen der siebziger Jahre in die Wirklichkeit eines sicheren und freien Europas der achtziger Jahre umzusetzen.“[22]

Nachdem er seine Vorschläge an die Sowjetunion schon auf der NATO-Tagung in Bonn präzisiert hatte, gab er in Berlin noch eine Zusammenfassung unter dem Titel
„Berliner Initiative“ und betonte vor allem die enge Verbundenheit seiner Regierung und aller Amerikaner mit den Berlinern, - eine Freundschaft, die unzerbrechlich und zuverlässig sei.

Nach der Veranstaltung flogen Reagan und seine Begleitung nach Tempelhof. Von dort aus kehrten sie nach Bonn zurück, wo eine offizielle Abschiedszeremonie stattfand.
Dann trat Reagan den Heimflug in die USA an.[23]

Noch am Sonntag, den 13. Juni 1982 flog Bundeskanzler Schmidt „nach New York, um am Montag vor der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen den Standpunkt der Bundesregierung zur Abrüstungsfrage vorzutragen,“[24]

In die Reden Reagans, Schmidts und Weiszäckers waren einige Ermahnungen an die Jugend eingeflossen, die zwar vor Ort kaum präsent, dafür aber am Tag zuvor und auch gleichzeitig zum offiziellen Besuch sehr aktiv war.

Die Gegendemonstrationen in Berlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Berlin wurden zeitgleich zum Besuch Reagans mit Ausnahme einer Frauen-Trauer-Demonstration jegliche Versammlungsaktivitäten verboten. Die Anmeldung dazu durch die Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz (AL) wurde vom Verwaltungsgericht und auf Widerspruch hin noch am Vorabend vom Oberverwaltungsgericht zurück gewiesen. Der Versammlungstermin war jedoch schon seit Tagen bekannt - ‚10 Uhr am Nollendorfplatz‘ - und in Flugblättern von Gruppen verschiedenster Ausrichtung wurde zur Mißachtung des Verbotes aufgerufen.
Die AL sprach davon, sich das Recht auf freie Wahrnehmung des Demonstrationsrechtes nicht nehmen zu lassen.

Im Vorfeld des Besuchtermins hatte sich der flappsig so bezeichnete „Lappenkrieg“ entwickelt, der durch einige Transparente an besetzten Häusern ausgelöst worden war, die „Beleidigungen“ (Innensenator Lummer) enthielten und von der Polizei entfernt wurden. Daraufhin tauchten immer weitere Banner und Graffiti auf, die mit erheblichem Aufwand per Hausdurchsungsbefehl oder kurzerhand zur Abwehr von „Gefahr im Verzug“ beseitigt wurden und „sich bis zum 8. Juni auf 752 Fälle“ beliefen.[25]Während ‚die Szene‘ den Aufwand eher amüsiert zur Kenntnis nahm, dokumentierte die Polizei dies später als Erfolg: Mit dem Eindringen in „über hundert parolengeschmückte besetzte Häuser“ (Zitty) sollte „die Allgegenwärtigkeit der Polizei demonstriert werden“, es wurde ein „Ablenkungsmanöver“ inszeniert und es „fielen der Polizei ganz nebenbei eine Vielzahl von Erkenntnissen in die Hand ...“[26]

„Erst wenige Stunden vor dem Besuch stand fest, daß eine Fahrt zum Checkpoint-Charlie und die Rückfahrt zum Flugfeld Tempelhof erfolgen sollte und von dort die Anreise zum Schloß Charlottenburg mit Hubschraubern ...“[27] Damit war eine zeitliche Parallele der Fahrt der Wagenkolonne Reagans mit dem Versammlungstermin 10 Uhr am Nollendorfplatz gegeben. Den Demonstranten war dies natürlich nicht bekannt und infolge der voneinander abgeriegelten Bereiche verlief der „Besuch am Checkpoint-Charlie, dem gefährlichste Teil des Programmes,(...) reibungslos.“[28] Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass auf Reagan irgendeine Form von Angriff oder gar Attentat geplant war.

Ablauf der verbotenen Demonstration in Berlin-Schöneberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Darstellungen des Ablaufes der Auseinandersetzungen variieren im einzelnen (ausführlich: Tagesspiegel, Volksblatt Berlin, die tageszeitung – alle vom 12. Juni 1982), doch stimmen sie darüber ein, dass der schon vor dem Versammlungszeitpunkt 10 Uhr mit bis zu 1.80 Meter hohem Stacheldraht (taz) weitläufig abgeriegelte Nollendorfplatz von der Polizei offen gehalten wurde, bis dort 2500 (B.Z.) bis 4000 (taz) Personen eingetroffen waren. Kurz nach 10 Uhr verkündete ein Polizeisprecher per Megaphon, dass zwei Eingänge des Kessels (zur Bülow- und zur Maaßenstraße) offen gehalten seien, durch das „Friedfertige“ und Passanten (der Nollendorfplatz ist auch Einkaufsbereich) heraus kommen könnten. Hier kam es rasch zu Staus, da die Personalien Herausdrängender abgeglichen wurden und schließlich zu einem massiven Angriff der „autonomen Gruppen“, die diese Prozedur nicht über sich ergehen lassen wollten. Im Nu glich das Umfeld einem „Hexenkessel“ (taz). Aufsehen eregte eine Durchfahrt von acht Polizei‚wannen‘ in hohem Tempo mitten durch die Menge. Ein Polizeifahrzeug blieb mit Motorschaden liegen, wurde umgekippt und angezündet. Die Beamten konnten sich mit Waffen und Funkgeräten retten. In der Folge geriet die Situation völlig ausser Kontrolle; mit Möbeln aus einem Geschäft und weiteren Fahrzeugen wurden Barrikaden gebaut und angezündet; die Feuerwehr wurde von den Demonstranten nicht mehr durchgelassen. Die taz dokumentierte einen Zivilbeamten mit gezogener Pistole. Mittlerweile wurde der Polizeiring auch von aussen angegriffen und zum Teil ‚gesprengt‘.

Konfrontation auf dem Winterfeldtplatz

Die Ausgebrochenen versammelten sich unweit am Winterfeldtplatz. Hier dauerten die Kämpfe bis in die frühen Abendstunden an. Ebenfalls Auseinandersetzungen gab es in der Winterfeldtstraße, am Kottbusser Tor und in Charlottenburg in der Wilmersdorfer Straße. Die Polizei drang am Abend in die besetzten Häuser Potsdamer Straße 157/59 ein und schlug nach Angaben der Betroffenen
„alles kurz und klein“.(taz)

Gegen Abend – US-Präsident Reagan und seine Begleitung waren seit Stunden ausserhalb der Stadt – gab es erste Versuche, Bilanz zu ziehen. Letztlich waren die Kämpfe in Schöneberg als ‚Randereignis‘ zu deklarieren, doch fanden sie ein breites Echo in der gesamten Presse in Deutschland und die DDR-Nachrichtenagentur ADN hatte sie sogar in den Mittelpunkt gerückt.[29]

Die B.Z. titelte noch auf der ersten Seite zusammenfassend ihre Anrufer in der Redaktion:
„Das sind eingereiste Profi-Schläger! Abkommandierte Verbrecher! Hergelaufene Killer-Trupps, die uns ins Chaos stürzen wollen!“[30]

Andere Zeitungen beschrieben im allgemeinen sachlich den Ablauf der Auseiandersetzungen und zitierten die Bewertungen von Parteien und Organisationen. Innensenator Lummer verurteilte „die mit erschreckender Intensität und Brutalität verübten Ausschreitungen durch ein in dieser Stärke und Massierung bisher nicht gekanntes Gewaltpotential“. Der Senatssprecher Ade erklärte, „es seien über 2100 ‚reisende Demonstranten‘ nach Berlin gekommen ...“ Ein AL-Sprecher habe am späten Vormittag „die Einsätze der Berliner Polizei mit chilenischen Verhältnissen“ verglichen –
sie wollte den Nollendorfplatz in ein Massen-Gefangenenlager“ verwandeln. Später erklärte der AL-Pressesprecher Thoms, die AL bedaure „diese Ausschreitungen, die ihrem politischen Stil widerspräche. Die Polizei und die politischen Verantwortlichen hätten ein Klima geschaffen, das Gewalttätigkeiten fördere und leider dazu beitrage, daß militante Auseinandersetzungen das Bild der Proteste in der Öffentlichkeit bestimmten.[31]

In seiner ein Jahr später erstellten Dokumentation bezeichnet Landespolizeidirektor Freund das Konzept, das

„eben ein (..) in weiten Teilen atypischer wie auch erfolgreicher Einsatz (war)“ (...) sei „aufgegangen und die Gewaltszene hatte eine ihrer größten Schlappen erlitten.(...) Erwartungsgemäß und geplant entzündete sich bei dieser Masse (von Eingeschlossenen) nach schockartiger Wirkung eine sinnlos anmutende Wut am ebenso schlagartig bis zu den Schleusen ausgezogenen Stacheldraht. Sie bissen sich sozusagen daran fest und nahmen hier ihren ‚Kampf‘ auf und wichen nicht von der Stelle.“

Günter Freund in Die Polizei, Juni 1983, zitiert in: die Tageszeitung, 27. Mai 1987, S. 19.

Die „Frauen-Demonstration verlief friedlich“[32]

Nachwirkungen der Ereignisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Berliner Politik und Öffentlichkeit geriet insbesondere die Alternative Liste (AL) unter Druck, die trotz des gerichtlichen Verbotes der Versammlung den Aufruf zur Demonstration aufrecht erhielt. „Die Vorsitzenden der FDP-Fraktionen von Bund und Ländern warfen ... der AL vor, sie habe sich als Mitinitiator der von vornherein gewalttätig angelegten Demonstration als ‚Feind der Demokratie‘ entlarvt.“[33]

Auf der anderen Seite geriet die AL auch in die Kritik der ‚öffentlichen Meinung‘ der Reagan-Gegner, die ihr vorwarfen, ihre Verantwortung für die Demonstration – zum Beispiel mit Ordner, Megaphonen – nich wahrgenommen zu haben: „Zu keinem Zeitpunkt versuchten die Demonstrationsanmelder, die ängstlich zusammengepferchte Menge zu organisieren, so daß die autonomen Streetfighter das Heft in die Hand nehmen konnten.“[34]

Trotz einer gewissen Genugtuung darüber, ‚Lummers Polizei‘ das Fürchten gelehrt zu haben, verloren die Autonomen jedes Vertrauenskapital: „Da denunzieren einige Psychopathen eine ganze Bewegung ... Die unheilige Allianz der Denunzianten – die unter dem Vorwand einer Demonstration doch nur Scherben hinterlassen – mit großen Teilen der Presse schadet ‚uns‘ (der Friedensbewegung.)“[35]

Die „Chaoten“, „Krawallmacher“, „Asphalt-Cowboys“ oder „Systemzerstörer“ werden erstmals in diesen Tagen in der Presse auch als „sogenannte autonome Gruppen“ bezeichnet. Auch die Linke insgesamt beginnt sich nun näher mit dem Selbstverständnis dieser Gruppen zu befassen, die nach der massiven Kritik – „kennen keinerlei Rücksichten und kochen auf Kosten anderer ihr steinernes Süppchen“(Zitty) – auch ihre Positionen reflektieren müssen: „Ihr könntet mit uns gemeinsam über die Ängste vieler Leute bei bestimmten Aktionen reden; wir drauf eingehen und versuchen, einen Weg zu finden, damit umzugehen, uns aber selbst nicht nur auf eine Widerstandsform festzulegen, sondern flexibel zu bleiben.“[36].Vom Gros der Bewegungen - vor allem in praktischen Fragen - wurden die ‚autonomen Gruppen‘ jedoch meist ausgegrenzt. Die Hausbesetzer sahen auch eine Gefahr darin, dass durch das militante Auftreten der Autonomen jede Sympathie in der Bevölkerung – die hier kaum differenzierte – verloren zu gehen drohte. Dennoch kam es nicht zu der von konservativer Seite erhofften (und geforderten) ‚Spaltung‘: Eine grundsätzliche Solidarität blieb erhalten, doch gelang es den Autonomen nicht wieder, politische Grossereignisse zu übermalen.

Politische Folgen des Besuches des US-Präsidenten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weltpolitik:

Die Frage nach den Folgen des Besuches teilen sich in unmittelbare Annahmen und diejenigen Betrachtungen, die sich infolge der zeitlichen Distanz, aus dem ‚Historischen Blick‘ ergeben. Das unmittelbare Resumeé bestand in der Übereinstimmung auf europäischer Seite darin, dass eine weitere Verschärfung des Ost-West-Konfliktes eher abgewendet worden war und im November des Jahres eine neue Verhandlungsrunde eingeleitet werden könne. Doch bevor die Gespräche begannen, starb Leonid Breshnew am 10.November 1982. Die geplanten Konsultationen und Verhandlungen verzögerten sich oder wurden – wie ein ironischer Kommentar bemerkte – durch „Beerdigungs-Diplomatie“ ersetzt.[37] Denn die nachfolgenden russischen Präsidenten waren beide nicht lange im Amt – so verstarb Andropow am 9. Februar 1984 und Tschernenko am 10. März 1985.[38] So erscheint der Reagan-Besuch 1982 in der Geschichtsschreibung heute eher als Randereignis, da er durch den rasch aufeinanderfolgenden Tod der russischen Präsidenten als „Berliner Initiative“ wenig Bedeutung entwickelte. Die Konfrontation schien 1983 wieder angeheizt, es „beschloß der Bundestag am 23. November 1983 die Stationierung ... (und) in den USA wurde weiter die Führbarkeit eines Nuklearkrieges debattiert (...) die meisten Spezialisten hielten das Projekt ‚star wars‘ (SDI) allerdings für undurchführbar, was sich trotz immenser Ausgaben bewahrheitet hat.“[39] Der auf Tschernenko folgende Präsident Michail Gorbatschow wischte am 12. März 1985 mit einem Verhandlungsangebot die ganze Problemwelt des „Kalten Krieges“ vom Tisch der Historie, auch wenn es bis zum 30.September 1986 dauerte, bis in Island bei einem Treffen Reagan – Gorbatschow das INF-Abkommen abgeschlossen wurde (Abzug aller Mittelstreckenraketen beider Seiten aus Europa).[40]„Dabei benutzte Gorbatschow immer radikaler die Taktik, den Westen durch einseitige Vorleistungen im doppelten Sinne zu entwaffnen.“[41]

In der Bundesrepublik Deutschland ...

setzte sich allmählich die Ansicht durch, die SPD-Präsidiumsmitglied Egon Bahr schon unmittelbar nach dem Gipfel formulierte: „Anders als vor Monaten seien die USA bereit gewesen, Verteidigungsfähigkeit und Entspannung als Grundpfeiler der Nato-Politik zu bestätigen. Insofern könnte die Bundesregierung mit Genugtuung feststellen, dass sie ihre seit Monaten vertretene Auffassung durchgesetzt habe, schrieb Bahr im SPD-Pressedienst.“[42] Der Regierung Schmidt/Genscher nützte dies nicht mehr viel – nicht nur, dass Schmidts Strategie auch in der SPD kaum verstanden worden war; die SPD/FDP-Koalition hatte sich auch politisch überlebt und musste schon bei den Wahlen im Herbst 1982 – nachdem Schmidt am 1. Oktober 1982 bei einem konstruktiven Mißtrauensvotum stürzte – der CDU/FDP-Regierung von Helmut Kohl weichen. Die SPD (...) distanzierte sich als Opposition rasch von der Nachrüstungspolitik Helmut Schmidts (...) Die Regierungspolitik (Helmut Kohls) schließlich veränderte sich weit weniger, als es die Konfliktsprache der Wende nahelegte.“[43] So dauerten die Auseinandersetzungen zum Beginn der Raketenaufstellung 1983 infolge des NATO-Doppelbeschlusses ungebrochen an, im Oktober 1983 fanden die größten Demonstrationen in der bundesdeutschen Geschichte statt ...[44]

In Berlin ...

verflossen die politischen Auseinandersetzungen um den Reagan-Besuch so rasch wie sie gekommen waren.

Auch im Alltag der Hausbesetzerbewegung änderte sich wenig: diejenigen, die an einer Sicherung des Ereichten Interesse hatten, – das waren vor allem die ökonomisch, an Existenzaufbau interessierten Projekte und die sozial- (Kindererziehung) und infrastrukturell engagierten Initiativen – versuchten, Solidarität mit dem eher aktivistischen und jugendlichen Teil der Besetzer zu halten. Eine große Anzahl dieser ‚schwächer abgesicherten‘ Häuser wurden dennoch bis zum Juli 1984 geräumt. Zuletzt – am 24. Juli 1984 –
fiel der „KukuCK“, das „Kunst- und Kulturzentrum Kreuzberg“ in der Anhalter Straße 7. Etwa 80 Häuser, überwiegend in Kreuzberg, schlossen Verträge mit Eigentümern und Gesellschaften oder konnten die Häuser über eigene Wohnungsbaugenossenschaften sichern.

Ereignisse am Rande[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Bundeskanzler Helmut Schmidt mußte am Mittwochmorgen (am 9. Juni) wegen einer fieberhaften Virusinfektion auf Anraten der Ärzte das Bett hüten. (...) Nach einer Spritze sei das Fieber, das am Morgen 39 Grad betragen habe, auf 36,8 Grad gefallen. (Regierungssprecher) Bölling äußerte die Zuversicht, daß der Kanzler am NATO-Gipfel teilnehmen und auch den amerikanischen Präsidenten nach Berlin begleiten kann.“[45] „... eine Cebion-Calzium-Novalgin-Spritze.“[46]Um 13 Uhr war Schmidt bereits zum Empfang Reagans auf dem Bonner Flughafen zugegen.

„Als Reagan im Bundestag seine Rede schloß, heulte im nahen Hauptzollamt eine Sirene auf. Über eine halbe Stunde lang waren die massierten Ordnungshüter nicht in der Lage, den nervenzerfetzenden Ton in der Bannmeile abzustellen ...“[47]„In einem Schreiben an dpa hatten Unbekannte sich zu dem Sirenenalarm bekannt: „Wir schlagen Alarm, den Reagan und seine US-Regierung bedeuten für uns: Kriegsgefahr (...) “Die Demonstranten hatten jedoch „das Funksignal für den Dauerton „Entwarnung“ ausgelöst.“[48]

Noch in Bonn überredete Reagan „per Telefon eine kleine Gruppe von konservativen Demokraten zur Unterstützung des republikanischen Antrags“ im Repräsentantenhaus, das mit 220 zu 207 Stimmen den konservativen Haushaltsentwurf genehmigte, „der den größten Zuwachs an Rüstungsausgaben zu Friedenszeiten auf Kosten von Sozialprogrammen vorsehen würde. Das Gesetzespaket projektiert ein Defizit von knapp 100 Mrd. Dollar.“[49]

Im Schloß Charlottenburg tauschen die Weizsäckers und Reagans Geschenke aus – unter anderem eine Kopie des 1927 gedrehten Stummfilmklassikers ‚Berlin –Symphonie einer Großstadt‘ ...“[50]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Benz, Wolfgang & Graml, Hermann: Europa nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1982. Weltbild-Verlag, Weltgeschichte Band 35, Augsburg 1998
  • Junker, Detlev (Hrsg): Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945-1990. DVA, Stuttgart-München, 2001
  • Stöver, Bernd: Der Kalte Krieg. C.H.Beck, München 2007
  • Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1949-1990, edition suhrkamp 1267, Frankfurt a.M.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Stöver, Bernd: Der Kalte Krieg. C.H.Beck, München 2007, S. 405.
  2. Junker, Detlev (Hrsg): Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945-1990. DVA, Stuttgart-München, 2001, S. 237.
  3. Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1949-1990. edition suhrkamp 1267, Frankfurt a.M., S. 249.
  4. Junker: Zeitalter. S. 238
  5. Benz, Wolfgang & Graml, Hermann: Europa nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1982. Weltbild-Verlag, Weltgeschichte Band 35, Augsburg 1998, S. 506-507.
  6. Junker, Zeitalter. S. 64.
  7. Benz & Graml: Europa. S. 508f.
  8. Stöver: Kalter Krieg. S. 433.
  9. Benz & Graml: Europa, S. 511.
  10. die tageszeitung (taz): Die Friedensbewegung hat den Kurs Reagans verändert. 11. Juni 1982, S. 4.
  11. DER TAGESSPIEGEL: Sicherheit hat Vorrang. 5. Juni 1982, S. 3.
  12. Tagesspiegel: Sicherheit. S. 3.
  13. Zitty: Hysterienspiele. 14/82, S. 14.
  14. Zitty, 14/82, S. 15.
  15. BERLINER MORGENPOST, 10.06.1982, S. 1.
  16. Morgenpost: Glaubwürdig. 10. Juni 1982, S. 2.
  17. Morgenpost: Ansprache vor dem Deutschen Bundestag. 10. Juni 1982, S. 2
  18. Morgenpost, 10. Juni 1982, S. 1.
  19. Tagesspiegel: 11. Juni 1982, S. 6.
  20. Tagesspiegel; Bemühungen um Beendigung der Kämpfe im Libanon. 11. Juni 1982, S. 1.
  21. taz, 14. Juni 1982, S. 12.
  22. Morgenpost, 12. Juni 1982, S. 1.
  23. Tagesspiegel, 12. Juni 1982, S. 1.
  24. Tagesspiegel, a.a.O., S. 2.
  25. taz: 11.06.1982, S. 20.
  26. Landespolizeidirektor Freund, Günter in: Die Polizei. Juni 1983, zitiert nach taz, 27.5 1987, S. 19.
  27. Freund: in Die Polizei. zitiert nach taz, 27.05.1987
  28. Freund, aaO.
  29. Tagesspiegel, 12. Juni 1982, S. 4.
  30. B.Z., 12. Juni 1982, S. 1.
  31. alle Zitate: Tagesspiegel, 12. Juni 1982, S. 9.
  32. Tagesspiegel, 12. Juni 1982, S. 9.
  33. Tagesspiegel, a.a.O., S. 9.
  34. Zitty: Hysterienspiele. S. 14.
  35. Werner Radasewsky: Die Straßenschlacht. in: Zitty, 14/82, S. 16.
  36. Flugblatt von Autonomen zum 11.6.82, Archiv der Jugendkulturen
  37. Tränhardt: Geschichte der BRD, S. 292.
  38. Stöver: Kalter Krieg. S. 437
  39. Tränhardt: Geschichte der BRD. S. 291.
  40. Stöver: Der Kalte Krieg. S. 439f.
  41. Tränhardt: Geschichte der BRD. S. 292.
  42. Volksblatt Berlin, 12. Juni 1982, S. 2.
  43. Tränhardt: Geschichte der BRD. S. 257.
  44. Tränhardt: Geschichte der BRD. S. 291.
  45. Tagesspiegel, 10. Juni 1982, S. 1.
  46. BZ, 10. Juni 1982, S. 2.
  47. Tagesspiegel; Viel Beifall und zwei Pfeifen. 10. Juni 1982, S. 3.
  48. Volksblatt Berlin: USA mit gutem Willen, 10. Juni 1982, S. 2.
  49. Tagesspiegel, Das Repräsentantenhaus billigt Reagans Budgetpläne, 12. Juni 1982, S. 14.
  50. Tagesspiegel, a.a.O., S. 4.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]