Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti

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Die sogenannte consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti (verkürzt: consultatio, abgekürzt: Cons.[1]) ist eine mutmaßlich um 450 n. Chr. im weströmischen Gallien[2][3] entstandene[4] Schriftensammlung von Rechtsgutachten und Bescheiden Rechtsgelehrter (Juristenliteratur).[5] Über den Verfasser des Werks ist nichts bekannt.

Die Zusammenstellung wird gemeinhin dem nachklassischen Recht zugerechnet. Gesellschaftspolitische Bedeutung kommt ihr insoweit zu, als sie mit den allgemeinen Entwicklungen in der Spätantike Schritt zu halten versucht. Unter Kaiser Diokletian eingesammeltes Rechtsgedankengut wird mit der consultatio in die posttheodosianische Rechtswirklichkeit transformiert. Der Name der Sammlung geht auf Jacques Cujas zurück, der als bedeutender neuzeitlicher Experte für das römische Recht gilt. Auf seiner Edition beruhen spätere Forschungen.[6]

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sammlung unterscheidet sich inhaltlich und formal von anderen spätantiken Privatwerken. Üblich war, dass als Gerüst zumeist Bescheide (responsae) dienten. Davon wich die consultatio ab, denn sie verpflichtete sich dem Gerichtsvortrag und lieferte die dafür nötige argumentative Rhetorik. In formaler Hinsicht werden die aufgeworfenen Rechtsfragen teils aus dem Blickwinkel eines fiktiven Sachwalters problematisiert, teils kommentiert sie der Verfasser selbst. Unterlegt werden die Argumente entweder durch angewendetes klassisches Recht (iura), oder durch Herleitungen aus bestehenden Gesetzen (leges). Zielstellung war jedenfalls ein kraftvoller juristischer Vortrag. Im Unterschied dazu waren die anderen Werke autoritativ geprägt, denn im Vordergrund stand dort die richterliche Belehrung.

Sehr bedeutsam war der Erlass des Codex Theodosianus im Jahr 438 n. Chr. Aufgrund dessen historischer Bedeutung, wird mit ihm eine Zäsur in der rechtsgeschichtlichen Entwicklung gesetzt, weshalb ihm zeitlich nachlaufende Rechtswerke zur post-theodosianischen Literatur gezählt werden. Dazu gehören etwa die Constitutiones Sirmondianae, die leges novellae, aber auch die consultatio. Mit Justinian I. wurde dann ein neues Zeitalter für das römische Rechtswesen eröffnet, zurückgehend auf dessen Rechtskompilationen des CIC.

Bereits der französische Kirchenreformer und Heilige Ivo von Chartres soll die Sammlung verwendet haben (11./12. Jahrhundert).[5] Dem vielen als Begründer einer „historischen Schule“ des römischen Rechts – nicht zu verwechseln mit der Historischen Rechtsschule des 19. Jahrhunderts – geltende französische Rechtsgelehrte Jacques Cujas gelangte um 1563 an eine Handschrift der Sammlung, die er unter dem Titel veteris cuiusdam iurisconsulti consultatio herausgab.[5] Mit der Veröffentlichung fiel Licht auf Besonderheiten, denn in den Schriften war bei Gesetzesstellen und Rechtshinweisen angemerkt, dass sie sich auf aktuell schwebende Verfahren bezogen und Bedeutung für zukünftige Gerichtsverfahren entfalteten. Wer die Verfasser der an Advokaten (causidici) gerichteten Bescheide waren und welchen Rechtsschulen sie zugehörten, ist bis heute ungewiss. Allein die in der Sammlung angeführten Belege sind nachgewiesen worden. Sie entstammen den Primärquellen der diokletianischen Kodizes Gregorianus und Hermogenianus einerseits, andererseits aus derivativem Recht. So kommen auch Florilegien der pseudopaulinischen Sentenzen zum Tragen, die herangezogen wurden, weil sich eine Anspruchshaltung an die Simplifizierung von Recht breit machte.[5]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. für altertumswissenschaftliche Abkürzungen etwa Sebastian Schmidt-Hofner, Hans-Ulrich Wiemer: Die Politik der Form: Das Edictum Theoderici, das Prätorische Edikt und die Semantiken königlicher Rechtsetzung im postimperialen Westen. Band 52, 2022, hrsg. von Christof Schuler, Rudolf Haensch und Simone Killen, Berlin, Boston. De Gruyter, 2023. S. 335.
  2. Gesichert ist, dass Gallien mit Narbonne (Colonia Narbo Martius) und Lyon (Lugdunum ) zwei juristische Kulturzentren besaß; vgl. zu Narbonne: Sidonius Apollinaris, Leo und Marcellinus in Carmina 23, Einleitung, Text und Kommentar von Norbert Delhey. Berlin 1993 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte 40), S. 446 ff. und 465 ff; zu Lyon: Sidonius Apollinaris, Philomathius in Epistulae 1, 3 und 5, 17, 2 und 7.
  3. Eine andere Auffassung vertritt Franz Wieacker, der in einem Otto Lenel gewidmeten Aufsatz auf Rom verweist.
  4. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 175 f.
  5. a b c d Martin Schanz, Carl Hosius: Geschichte der römischen Literatur. Vierter Teil, 2. Band: Die Literatur des fünften und sechsten Jahrhunderts. C. H. Beck, München 1920, ISBN 3-406-01398-8, S. 175.
  6. So etwa die Forschung von Otto Karlowa: Römische Rechtsgeschichte. Band 1: Staatsrecht und Rechtsquellen. Leipzig 1885. Als Reprint: Keip, Goldbach 1997, ISBN 978-3-8051-0677-1. S. 973.