Diskussion:Mutianus Rufus

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M., der weder ein Universitätslektorat innehatte, noch publizistisch hervortrat, war eine skeptisch-quietistische. zeitweise zum Zynismus neigende, mehr kritisch-rezeptive als produktive Natur. Ganz der ..beata tranquiliitas" ergeben und Freund des Zölibats, vertrat er die radikale Form der humanistischen „vita solitaria”. Sein Ziel war, allein und für sich selbst frei und rechtschaffen zu leben, kein „homo illiteratus” zu sein und den auf seinem Bildungsweg zur Erkenntnis und Weisheit Mitstrebenden reformerisch beizustehen. Die unmittelbar von ihm ausgehende Wirkung erstreckte sich in persönlichem Umgang und vertrautem Briefwechsel mit Gönnern, Freunden und Scholaren vor allem auf die nahe Univ. Erfurt. deren humanistisches Wesen er nach Marschalks Wegzug neben Johann Sömmering 1505–16 mit seinem Einsatz für Jacob Wimpheiing und mit Demarchen für Johann Reuchlin prägte. Sein lat. Briefwechsel mit führenden Humanisten der Zeit (Erasmus, Reuchlin u. a.), geistl. und weltl. Fürsten (Kurmainz, die sächs. Linien, Fürstabt von Fulda u. a. und ihren Diplomaten (Eitelwolf v. Stein, Valentin v. Sunthausen) zeichnet sich durch vollendeten Stil, außerordentliche Kenntnis der antiken Literatur und philosophische Gedankentiefe aus. Dies vor allem trug dazu bei, daß M. nach Erasmus und Reuchlin als bedeutendster Geist der deutschen Hochrenaissance genannt wurde. Dem Juristen Ulrich Zasius galt er schon 1506 als „Germanorum doctissimus. nostrae aetatis Cicero”. Mit dem Humanismus und Erfurt war M. von Jugend auf verbunden. Der früh Verwaiste besuchte die Schule des Alexander Hegius zu Deventer. an der Erasmus sein Mitschüler war. Seit Sommer 1486 studierte er in Erfurt, wo er noch Conrad Celtis hörte, wurde 1488 Baccalaureus und 1492 Magister. Auf dem Weg zum Rechtsstudium in Italien hielt er sich im Frühjahr 1496 in Mainz auf, wo er Gresemund, Wirnpheling und Trithemius mit seiner Sponheimer Bibliothek kennen-lernte. Von diesem Zeitpunkt an läßt sich die grenzenlose Bücherliebe und der Aufbau seiner eigenen kostbaren Bibliothek, für den er sein beträchtliches Vermögen und seine Beziehungen einsetzte, verfolgen. Wie kein an-derer war M. über alle Neuerscheinungen auf dem europ. Büchermarkt, über Handschriftenfunde und literarische Vorhaben unter-richtet. In Italien, wo er sechs Jahre zubrachte, hörte er neben den Bologneser Glossatoren den älteren Philipp Beroald und Urceus Codrus. Er promovierte 1498 in Ferrara zum Dr. decretorum und lernte in Padua Baptista Mantuanus kennen, In Florenz, Venedig und Rom, wo er mit Pomponius Laetus bekannt wurde, vervollkommnete sich M. in den humanen Wissenschaften. Im Ringen um eine eigene Philosophie wandte er sich, Marsilius Ficinus und Pico della Mirandola folgend, neuplatonischen Lehren zu und gelangte da-bei mehr zu einem universalistischen Theismus als Pantheismus, verquickt mit einer auf einer Synthese von christl. Theologie und antiker Philosophie beruhenden spiritualisierten Religiosität, die für das überlieferte Christentum keinen Raum ließ. 1502 kehrte M. mit der Absicht in seine Heimat zurück. dort-hin zumindest für sich den Lebensstil einer exklusiven Geistesaristokratie zu übertragen. Nach kurzer Tätigkeit in der landgräfl. hess. Kanzlei bot sich ihm hierzu ein Kanonikat in Gotha an, das ihm volle Unabhängigkeit gewährte. Um es einnehmen zu können, wurde er 1503 Geistlicher, was ihn jedoch nicht hinderte, weiterhin scharfe Kritik an den Institutionen der Kirche und deren Trägern zu üben. Seit 1505 kamen die jungen Erfurter Humanisten in sein gastliches Gothaer Haus und bildeten um den „Meister” einen literarischen Kreis in humanistischem Sinn (u. a. der Jurist Herbord v. der Marthen sowie Georg Spalatin und Heinrich Urban aus dem nahen Kloster Georgenthal). Auch Helius Eobanus Hessus und Johann Crotus Rubianus verkehrten in M.s Haus und nutzten die philologische Kritik, die philosophische Erkenntnis und die Metrikkunde des Meisters. Der häufiger ein-kehrende Euricius Cordus schildert in seinem lat. Gedicht „Besuch bei Mutian” die Dichterklause mit ihrem Hang zum Idyllischen. Hermann Trebelius, Peter Eberbach und sein Bruder, Justus Jonas, Johann Pvrrhus (Roth) u. a. erbaten und erhielten Briefe. Der Lyriker Christoffer Hack, Tremonius und Ulrich v. Hutten zählten als Tischgäste zur mutianischen Jüngerschaft, die ein geistiges Symposion, jedoch keine große. geheime Satirenwerkstatt (Kampschulte) darstellte. M. selbst verfaßte keine Satiren, und auch die seinem Kreis zugeschriebenen „Epistolae obscurorum virorum”, die dem Rhein-Main-Gebiet entstammen, weisen nur schwache Verbindungslinien nach Gotha auf. Nach 1516 wurde es um M. ruhiger; in Erfurt wurde nun vor allem Erasmus gefeiert. M., der 1515 Luther als Prediger gehört und geschätzt hatte, rückte früh von „dem lutherischen tumultus” ab. Befangen in seiner ästhetischen Bildungsreligion, fühlte er sich erhaben über den Glauben des einfachen Volkes. Als in seinen letzten Lebensjahren infolge des kirchl. Umsturzes und der Bauernunruhen die Pfründen ausblieben, geriet er in große wirtschaftliche Not.

Werke

  • Der Briefwechsel d. M. R., Ges. u. bearb. v. C. Krause, 1885 (Biogr.):
  • Der Briefwechsel d. C. M., Ges. u. bearb. v. K. Gillert, 1890.
  • In beiden Ausgg. Chronol. d. Briefe vielfach irrig bzw. ungeklärt.

Literatur

  • Allgemeine Deutsche Biographie Band 23 Seite 108
  • P. Kalkoff, Humanismus u. Reformation in Erfurt (1500–30). 1926;
  • M. Burgdorf. Der Einfluß d. Erfurter Humanisten auf Luthers Entwicklung bis 1510, 1928; * F. Halbauer, M. R. u. seine geistesgeschichtliche Stellung, 1929;
  • L. W. Spitz, The Conflict of Ideals in M. R.. in: Journal Warburg 16, 1953, S. 121—43; F.-*W. Krapp, Der Erfurter Mutiankreis u. seine Auswirkungen, Diss. Köln 1954;
  • J.-E. Margolin, M. et son modele erasmien, in: L'humanisme allemand, 1979, S. 169—202; * F. Anzelewskv, Ein humanist. Altar Dürers, ebd., S. 525—36;
  • I. Höss, Georg Spalatin, 21989; Schottenloher 16175. 16180, 16182, 16185 f., 48422; LThK2; Kosch, Lit.-Lex.'.

mfg Torsten Schleese 17:52, 9. Mär 2006 (CET)