Diskussion:Rechtsgeschichte Dänemarks

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Letzter Kommentar: vor 9 Jahren von Vicki Reitta in Abschnitt Einleitungssatz
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Einleitungssatz[Quelltext bearbeiten]

Der bisherige Einleitungssatz: "Das Recht Dänemarks bezeichnet die Gesamtheit gerichtlich durchsetzbarer gesellschaftlicher Normen in Dänemark" ist so schlicht falsch. Den zunächst einmal gibt es eine ganze Reihe von verwaltugnsrechtlichen vorschriften, bei denen Verwaltungsentscheidungen zwar vor einer Verwaltungsinstanz ("Nævn") angefochten, diese aber dann nicht vor Gericht gebracht werden können. Nicht vor Gericht angefochten werden können auch Entscheidungen der Ombudsmänner, obgleich die Vorschriften die deren arbeit regeln, zweifellos Rechtsvorschriften sind. - Zum anderen ist die Formulierung "gerichtlich durchsetzbar". Die Vollstreckung ist nicht Sache der Gerichte. Und schließlich gibt es in der dänischen Rechtsordnung - wie übrigens in jeder Rechtsordnung - eine Fülle von Rechtsvorschriften, die keineswegs gesellschaftliche Normen sind, sondern beispielsweise nur einen engen Fachkreis betreffen oder rein technische Regeln enthalten. Daher musste der Einleitungssatz geändert werden. --Vicki Reitta (Diskussion) 04:17, 4. Feb. 2015 (CET)Beantworten

Selbst wenn das stimmen würde, folgt daraus noch lange nicht, dass deine Definition richtig wäre. Dass diese jedenfalls evident falsch ist, zeigt uns schon der Blick in den sauber belegten Text im Abschnitt Rechtsquellen. --UHT ceterum censeo Portal:Recht/FAQ esse legendum 14:17, 4. Feb. 2015 (CET)Beantworten
Ich möchte dir auch widersprechen, Vicki Reitta. Deine Einleitung ist falsch, denn auch in Dänemarkt gibt es vorkonstitutionelles Recht, wie der von UHT erwähnte Abschnitt des Artikels selbst aussagt. Und die vorherige Fassung ist sehr wohl korrekt: Selbst wenn man "Ombudsmänner" und "Verwaltungsinstanzen" nicht als "Gerichte" versteht (was man nach dem hier angebrachten Verständnis des Worts "Gericht" tun sollte), treffen sie Entscheidungen, die Rechtskraft entfalten, welche dann vor ordentlichen Gerichten durchgesetzt werden können, denn Dänemark ist ein Rechtsstaat (Art. 3 Grundlov). Zweitens ist die Vollstreckung sehr wohl Sache der Gerichte, da sie auch in Dänemark gerichtlich überprüfbar ist (Kap 45 ff. Retsplejeloven). Und drittens sind auch "enge, technische Fachkreise" Teil der Gesellschaft und ihre rechtlichen Regeln werden als Rechtsnormen von der Gesellschaft anerkannt, sie sind damit gesellschaftliche Normen (nicht zu verwechseln mit "sozialen Normen"). Gruß, --Gnom (Diskussion) 15:37, 4. Feb. 2015 (CET)Beantworten
Die bisherige Einleitung entstammt einem zivilrechtlich geprägten Rechtsverständnis, das verfassungs- und verwaltungsrechtliche Zusammenhänge weitgehend ausblendet bzw. umdeutet. Ich weiß sehr wohl, dass jemand die von mir kritisierte Formel (Recht = Gesamtheit gerichtlich durchsetzbarer gesellschaftlicher Normen) in eine ganze Reihe von Artikeln über die Rechtsordnungen anderer Länder aufgenommen hat. Unter anderem auch in den Artikel Recht Saudi-Arabiens, wo nun wirklich evident ist, dass sie nicht passt. Dies könnte nun Anlass zu einer allgemeinen rechtstheoretischen Diskussion sein, die zu führen im Rahmen der Wikipedia jedoch sinnlos wäre, da es hinsichtlich abstrakter rechtstheoretischer Überlegungen für die verschiedensten divergierenden Auffassung genügend Belege aus "anerkannten Quellen" gäbe.
Nur nebenbei bemerkt: In den Artikeln Recht und Rechtsordnung ist es mit den vorhandenen Mitteln im vorgegeben begrenzten Rahmen ganz gut gelungen, die Begriffe für Laien verständlich zu erklären, ohne in tiefergehende rechtstheoretische Diskussionen einzusteigen und ohne wie in diesem und ähnlichen Artikeln eine ganz einseitige Begriffsbildung zugrundezulegen. Daher könnte man etwa als Alternative daran denken, die Definition aus dem Artikel Rechtsordnung zu übernehmen und entsprechend anzupassen, also etwa zu schreiben: "Das Recht Dänemarks ist die Gesamtheit des in Dänemark gültigen objektiven Rechts."
Aus meiner Sicht vorzugswürdig wäre es jedoch, auf die jeweilige konkrete positivrechtliche Situation des jeweiligen Staates einzugehen, statt sich mit einer allgemeingültigen Formel zu behelfen.
Nach dänischem Rechtsverständnis ist das dänische Grundgesetz (Grundloven) rechtshistorisch ein wesentlicher Wendepunkt gewesen, ein revolutionärer Neuanfang. Deshalb ist der 5. Juni, der Tag, an dem 1849 das Grundgesetz erlassen wurde, auch ein wichtiger Gedenktag (Grundlovsdag) und hat praktisch die Rolle, die in anderen Ländern ein Nationalfeiertag hat. - Obgleich also auch nach Inkrafttreten des Grundgesetzes vorkonstitutionelles Recht in Geltung blieb, ist dies jedoch nur deshalb und nur insoweit der Fall, als dies durch das Grundgesetz zugelassen wurde. Dies ist daher als Ausgangspunkt und Grundlage allen dänischen Rechts anzusehen. Eine andere Darstellung würde dem dänischen Rechtsverständnis nicht gerecht werden. Dies gilt ebenso für die anderen sog. "Rechtsquellen", deren Natur und Relevanz im einzelnen, wie im Artikel korrekt referiert, übrigens umstritten ist.
Abzulehnen sind - nicht allein aus grundlegend-abstrakten, sondern aus konkret auf die dänische Rechtsordnung bezogenen Gründen - Versuche, die bisherige Definition so "hinzubiegen", dass sie als halbwegs zutreffend erscheint. Denn eine solche Umdeutung von allgemein verwendeten Begriffen wäre sowohl der Verständlichkeit als auch der Sachadäquanz abträglich. So sind die vielfältig vorhandenen Verwaltungsinstanzen, die rein rechtstatsächlich einen Großteil der Rechtssteitigkeiten behandeln, nach keiner üblichen Definition als Gerichte anzusehen. Und sie werden explizit auch nicht als solche verstanden. 2001 hat eine diesbezügliche Kommission, der Retsplejeråd, sich u.a. mit der Frage der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit auseinandergesetzt und im Zuge dieser Erwägungen klar zwischen Gerichten und Verwaltungsinstanzen unterschieden, vgl. Reform af den civile retspleje, Kap. 3 und 4, (und übrigens die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit abgelehnt, aber an der Aufrechterhaltung gerichtlich nicht anfechtbarer Verwaltungsentscheidungen festgehalten).
Auch die Umdeutung des Begriffs "gesellschaftliche Normen" dergestalt, dass alle Rechtsnormen ja gesellschaftliche Normen seien, weil die Rechtsordnung im Großen und Ganzen von wesentlichen Teilen der Gesellschaft anerkannt werde, ist mir bestens bekannt. Sie beruht einerseits auf einer Fiktion und ist andererseits (deshalb) überflüssig: Das Fiktive zeigt sich schon daran, dass man dann - wie Gnom - plötzlich zwischen gesellschaftlichen und sozialen Normen unterscheiden muss, will man nicht den Begriff der sozialen Normen als in der Gesellschaft lebendigen Normen aufgeben.
Dies wäre jedoch schon deshalb sinnwidrig, weil diese Unterscheidung in den meisten Sprachen schon sprachtechnisch nicht möglich wäre bzw. dort erst durch einen neuen Begriff eingeführt werden müsste. Auch im Dänischen bedeutet "samfundsnorm" (gesellschaftliche Norm) exakt dasselbe wie "social norm"/"social regel". Letzlich wird es auch dem deutschen Sprachgebrauch des Wortes "gesellschaftlich" nicht gerecht, als gesellschaftliche Normen solche zu bezeichnen, die sich ausschließlich an bestimmte Verwaltungseinheiten wenden (wie Verwaltungsvorschriften, in Dänemark "cirkulær") oder nur für bestimmte, klar abgegrenzte Teile der Gesellschaft relevant sind, wie z.B. Vorschriften über Genehmigungs- oder Zulassungsverfahren für Unternehmen, gesellschaftsrechtliche Vorschriften oder Buchführungsregeln u.ä.
Überflüssig ist eine solche Umdeutung des Begriffs "gesellschaftliche Norm", weil sie dann inhaltlich mit dem der Rechtsnorm an sich identisch wird. Daher ist sie in diesem Zusammenhang verzichtbar.
Soweit einige Bemerkungen zum bisherigen Einleitungssatz. Es soll damit nicht behauptet werden, die von mir vorgeschlagene Definition sei perfekt. Vielleicht könnte man sich auch damit begnügen, nur zu schreiben "Das Recht Dänemarks ist die Gesamtheit der in Dänemark geltenden Rechtsnormen." Alles Weitere wird ja im Artikel selbst ausgeführt. Mir schien es lediglich sinnvoll, schon in den Einleitungssatz einen Hinweis auf das in der dänischen Rechtswissenschaft und Öffentlichkeit für die eigene Rechtsordnung als so wesentlich angesehene Grundgesetz aufzunehmen. --Vicki Reitta (Diskussion) 20:43, 4. Feb. 2015 (CET)Beantworten
Lieber Vicki Reitta, danke für deine ausführliche Antwort. Offenbar sind wir uns einig, dass eine Beschränkung auf "die auf der Grundlage des dänischen Grundgesetzes erlassenen Rechtsnormen" dem Artikelgegenstand nicht gerecht wird. Wir brauchen also eine andere Formulierung.
Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass § 63 Grundlov die Verwaltung ausdrücklich der Kontrolle durch die ordentlichen Gerichte unterwirft. Weiterhin darf man den Gerichtsbegriff nicht autonom (d.h. im Sinne des dänischen Rechts) verstehen, sondern es kann sehr wohl sein, dass es Verwaltungseinrichtungen gibt, die als "Gerichte" fungieren. Gruß, --Gnom (Diskussion) 16:54, 10. Feb. 2015 (CET)Beantworten
Also von mir aus können wir uns zur Not auf "Das Recht Dänemarks ist die Gesamtheit des in Dänemark gültigen objektiven Rechts" einigen. Das ist zwar noch vager als die bisherige Version (und hat den Informationsgehalt von "Ein Koch ist eine Person, die kocht" ;-), aber jedenfalls POV-unverdächtig. --UHT ceterum censeo Portal:Recht/FAQ esse legendum 19:08, 10. Feb. 2015 (CET)Beantworten
Ich stimme UHT zu. Zum Einwand von Gnom ist zu sagen, dass § 63 Grundlov zwar tatsächlich, wenn man ihn mit dem deutschen Rechtsstatsverständnis liest, eine lückenlose gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen zulässt, er aber in der vom dänischen Höchstgericht (Højesteret) bestätigten Rechtspraxis so verstanden wird, dass einfachgesetzliche Beschränkungen oder Ausschlüsse des Gerichtszugangs sehr wohl zulässig seien. Die Begründungen dafür sind zwar äußerst windig und oberflächlich, da sie offensichtlich politisch motiviert sind. Das ändert aber nichts daran, dass sie im dänischen Recht (das ja auch eine Verfassungsgerichtsbarkeit im üblichen Sinne nicht kennt) so gelten. Dies ist z.B. insbesondere im Asylrecht wichtig und folgenreich.
Außerdem ist es keineswegs so, dass der Begriff des Gerichts nach Belieben auf Verwaltungsinstanzen ausgeweitet werden kann. Hier setzt - jedenfalls für ihren Geltungsbereich, zu dem auch Dänemark gehört - die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in ihreren Artt. 5 und 6 (und der entsprechenden allgemeinen Auslegung) relativ klare Grenzen. Zwar hatte etwa Österreich versucht, durch die Einführung von sog. Unabhängigen Verwaltungssenaten Verwaltungsinstanzen zu schaffen, die dem Gerichtsbegriff gerecht werden - so dass dein Einwand jedenfalls nicht grundsätzlich unzutreffend erscheint. (Nach einer langen Diskussion hat man sich allerdings auch in Österreich dann aber doch entschlossen, zum 1. Jan. 2014 stattdessen Landesverwaltungsgerichte einzuführen.)
Die dänischen Verwaltungsinstanzen (Nævn) hingegen entsprechen in keiner Weise dem Gerichtsbegriff, wie er der EMRK zugrundeliegt. So gibt es überwiegend weder ein mündliches Verfahren noch können die Bürger eine Zeugeneinvernahme oder selbstständige Beweiserhebung beantragen. Wo mündliche Verhandlungen durchgeführt werden, finden sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und die Entscheidungen werden auch nicht öffentlich verkündet. Darüberhinaus ist die Unabhängigkeit der Personen, welche die Entscheidungen treffen, aufgrund der oftmals undurchsichtigen Besetzungsmodalitäten (nichtöffentliche Bestellung durch Ministerialbeamte oder Gremien von Vereinen nach völlig willkürlichen Gesichtspunkten) nicht gewährleistet, so dass sie auch deswegen nicht als "Gericht" im Sinne der EMRK anzusehen sind. Daher ist eine Ausweitung des Gerichtsbegriffs auf solche Verwaltungsinstanzen nicht möglich.
Vielleicht noch so viel zum Schluss: Die von mir kritisierte Definition ist von einem zivil- bzw. strafrechtlich geprägten Rechtsverständnis mit naturrechtlichem Einschlag her durchaus nachvollziehbar. Danach sollte das Recht nur solche Normen (Gebote- bzw. Verbote) umfassen, die auch den im gesellschaftlichen Leben lebendigen Verhaltensnormen entsprechen. Umgekehrt sind natürlich nicht alle so verstandenen gesellschaftlichen Normen rechtlich relevant. So kommt man dazu, als "Recht" jene Teilmenge der gesellschaftlichen Normen zu verstehen, die "einklagbar" sind (also z.B. nicht grundsätzlich alle gesellschaftlichen Höflichkeitsnormen, wohl aber ist nach gängiger deutscher Rechtsprechung das Duzen von Polizeibeamten strafbar, womit insoweit die gesellschaftliche Norm zur "Rechtsnorm" geworden ist). - Es muss wohl nicht eigens betont werden, dass dieses recht sozialromantische Rechtsverständnis seit jeher selbst im Straf- und Zivilrecht nur einen allenfalls eingeschränkten Anwendungsbereich hatte und das Verwaltungsrecht ganz ausblendet. - Somit muss man sich darauf beschränken, das Recht eben das ist, was der jeweils ermächtigte Rechtssetzer beschließt. In einer Demokratie also, was der vom Volk direkt oder indirekt berufene Rechtssetzer beschließt. --Vicki Reitta (Diskussion) 23:55, 10. Feb. 2015 (CET)Beantworten