Illegitimi non carborundum

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Grabstein mit dem Motto

Illegitimi non carborundum (auch: Illegitimis non carborundum) ist ein pseudolateinischer Sinnspruch. Im Englischen wird die Phrase (wie auch Varianten) meist mit Don’t let the bastards grind you down (im Deutschen etwa: Lass dich von den Mistkerlen nicht kleinkriegen)[1] übersetzt.

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entstehungsgeschichte des Spruchs ist nicht genau bekannt. Der Lexikograf Eric Partridge (1894–1979) vermutete, dass der Brite Stanley Casson (1889–1944) Urheber des scherzhaft gemeinten Aphorismus war. Casson hatte Klassische Archäologie am St John’s College in Oxford studiert und im Zweiten Weltkrieg zunächst beim Intelligence Corps des britischen Heeres und dann als Verbindungsoffizier zwischen griechischen Regierungsstellen und dem War Office gearbeitet.[2][3]

“I wonder which Oxford 'Classic', exacerbated almost to desperation, coined this trenchant piece of exquisite Latinity?”

„Ich frage mich, welcher am Rande der Verzweiflung stehende Oxford-Alumnus dieses scharfsinnige Beispiel exquisiter Latinität geprägt hat.“

Eric Partridge: A Dictionary of Slang and Unconventional English[2]

Die meisten Slang-Sprachwissenschaftler sind sich einig, dass der Ausdruck erstmals zu Beginn des Zweiten Weltkrieges unter Angehörigen des britischen Intelligence Corps verwendet wurde. Von dort verbreitete er sich in der britischen Armee, vorwiegend im Offizierskorps. Im Militär der Vereinigten Staaten wurde er populär, nachdem US-General Joseph Stilwell ihn als sein Motto während des Zweiten Weltkriegs benutzte. Später wurde er (mitunter in verschiedenen Abwandlungen) auch in Australien verwendet. Nach Ansicht des Sachbuchautors Ralph Keyes kann die Phrase aber auch schon in der Zeit der Great Depression vor dem Krieg entstanden sein, als das Erfinden lateinischer Sprichwörter ein beliebter Zeitvertrieb war.[4]

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Carborundum (im Deutschen: Karborund) ist kein lateinisches Wort, sondern ein alternativer Ausdruck für die chemische Verbindung Siliciumcarbid. Ursprünglich war der Begriff ein geschützter Markenname dieses 1893 von Edward Goodrich Acheson zum Patent angemeldeten Werkstoffs. Die Bezeichnung ist vermutlich eine Kombination der Begriffe Carbon/Carbide und Corundum.[5] Die Verbindung wird unter anderem als Schleifmittel eingesetzt. Da der Schleifprozess im Englischen als grinding bezeichnet wird, dient die Verwendung des Ausdruckes „Carborundum“ der Verdeutlichung des Geschliffenwerdens im übertragenen Sinne.

Nach Ansicht der Altphilologen Wolfgang Kofler und Florian Schaffenrath soll der Begriff Carborundum wie ein lateinisches Verbalsubstantiv (Gerundium) klingen. Die werden verwendet, um ein Verb zu substantivieren. Die Ausdrücke Illegitimi und Illegitimis sind Pluralformen (Nominativ bzw. Ablativ) der Grundform Illegitimus (im Deutschen etwa: Unrechtmäßiger). Der Begriff hätte im Lateinischen theoretisch zwar auch als Bezeichnung für einen außerehelich gezeugten Bastard genutzt werden können, eine solche Verwendung war im historischen Sprachgebrauch aber nicht üblich. Eine korrekte lateinische Formulierung für die Aussage Lass dich von den Mistkerlen nicht kleinkriegen wäre etwa: Noli nothis permittere te terere.[6]

Die Zeitschrift The New Republic erklärte die Bedeutung des Mottos 1967 mit Don’t let the so-and-so’s shut you up. Nach einer Mindermeinung könnte die Phrase auch aus einem Fehler bei der Übertragung des lateinischen Ausdrucks Ne illegitimi carbunculi tibi in facie sint entstanden sein.[7]

Auf einer Krawatte des Politikers Nigel Farage wird der Spruch (rot auf blau, lesbar bei Abruf der Originaldatei in höchster Auflösung) wiedergegeben

Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Varianten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff wird in mehreren abgewandelten Varianten wie Illegitimati non carborundum, Illegitimis non carborundum, Nil illegitimi carborundum, Non illegitimi carborundum oder Nil carborundum illegitimi verwandt.

In der US-Politik wurde der Spruch in der Abwandlung Noli permittere illegitimi carborundum durch Senator Barry Goldwater populär. Er brachte in seinem Büro eine Tafel mit dieser Inschrift an.[12]

Nolite te bastardes carborundorum ist eine Formulierung, die in Margaret Atwood’s Roman The Handmaid’s Tale, verfilmt als The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd, genannt wird. Obwohl als Scherz aus der Schulzeit der Autorin stammend, wurde der Begriff in Folge auch als Sinnspruch feministischen Widerstands gegen Repressionen genutzt.[13][14]

Mit Bezug auf die Tätowierungen des Satzes stellte die Autorin fest:

“I’ll tell you the weird thing about it. It was a joke in our Latin classes. So this thing from my childhood is permanently on people’s bodies.”

„Das Verrückte an der Sache ist: Es war ein Witz in unserem Lateinunterricht. Dieser Spass aus meiner Kindheit ist dauerhaft auf den Körpern von Menschen.“

Margaret Atwood: Interview im Time Magazine, Frühjahr 2017[13]

Den Ausdruck Nil carborundum benutzte der britische Drehbuchautor Henry Livings (1929–1998) im Jahr 1962 als Titel eines Theaterstücks der Royal Shakespeare Company und einer Fernsehkomödie. Ebenso wurde diese Formulierung von dem britischen Schriftsteller Martin Charlton Woodhouse (1932–2011) in seinem 1968 erschienenen Roman Rock Baby verwendet.

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die englischsprachige Bedeutung (Don’t let the bastards grind you down) wurde als Titel zweier Lieder sowie eines Minialbums verwendet:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Illegitimi non carborundum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Richard J. Leider und David A. Shapiro, In der Mitte des Lebens: Engagiert leben und die eigene Zukunft gestalten, mvg Verlag, 2005, ISBN 978-3-86415-582-6.
  2. a b Eric Partridge: Illegitimis non carborundum. In: A Dictionary of Slang and Unconventional English. Routledge, 2006, ISBN 1-134-96365-3, S. 593 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Stanley Casson (1889–1944), Biografie auf der Website der Monuments Men Foundation, Dallas (englisch).
  4. Ralph Keyes: The Quote Verifier: Who Said What, Where, and When. Hrsg.: St. Martin’s Publishing Group. 2007, ISBN 978-1-4299-0617-3, S. 9 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Carborundum: chemical compound trademark, Encyclopædia Britannica (englisch).
  6. Henry Beard, Dopey Exhortations are more forceful in Latin, in: Latin for even more occasions (erweiterte Ausgabe), 1991, S. 101 (englisch)
  7. William B. Thayer, Bill Thayer’s Web Site: LacusCurtius, A Famous Phrase from Antiquity: Origin and Explanation (englisch).
  8. The 10 Most Interesting Things On John Boehner's Desk, 4. Februar 2013, Buzzfeed (englisch).
  9. The College Pump: Ipso Facto! In: Harvard Magazine. 2012, abgerufen am 14. Dezember 2019 (englisch, Ausgabe November/Dezember 2012).
  10. The rest is propaganda: Celebrating Alan Sillitoe, 29. Oktober 2012, Creativenottingham.com (englisch).
  11. Pritha Paul: What Is 'Illegitimi Non Carborundum'? Meghan McCain Fires Back At Trump. In: International Business Times. 20. März 2019, abgerufen am 14. Dezember 2019 (englisch).
  12. An anderer Stelle wird vermerkt, dass Goldwater ebenso die Version Illegitimi non carborundum verwendete, siehe LitVerz.: Safire’s Political Dictionary (englisch).
  13. a b Laura Bradley: Blessed be the fruit. Handmaid’s Tale: The Strange History of “Nolite te Bastardes Carborundorum”. In: Vanityfair.com. 3. Mai 2017, abgerufen am 14. Dezember 2019 (englisch).
  14. Christopher Lehmann-Haupt: The handmaid's tale. In: Books of The Times. The New York Times, 27. Januar 1986, abgerufen am 14. Dezember 2019 (englisch).
  15. Iron Fist bei AllMusic (englisch)