Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück

Teilansicht vom Schwedtsee mit der Skulptur Tragende von Will Lammert (1959)
Daten
Ort Fürstenberg/Havel
Art
Architekt Buchenwald-Kollektiv (Erstgestaltung)
Eröffnung 12. September 1959
Besucheranzahl (jährlich) etwa 150.000 (2014)
Betreiber
Leitung
Website
ISIL DE-MUS-823318

Die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück ist eine Gedenkstätte in der Stadt Fürstenberg/Havel und dem Ortsteil der ehemaligen selbständigen Gemeinde Ravensbrück für die Opfer mehrerer NS-Lager des Konzentrationslagers Ravensbrück und benachbarte Konzentrationslager und Produktionsstätten im Rahmen der SS-Zwangsarbeit.

Sie wurde 1959 als Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück eröffnet und anschließend mehrfach erweitert. Seit 1993 wird die Mahn- und Gedenkstätte durch die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten getragen. Sie gehört zu den Gedenkstätten von nationaler und internationaler Bedeutung in Deutschland und ist in die Denkmalliste des Landes Brandenburg eingetragen.[1] Im Jahr 2014 kamen schätzungsweise 150.000 Besucher.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachkriegszeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee erstreckte sich das Konzentrationslager über eine Fläche von mehr als 100 Hektar. Im Gegensatz zu den Lagern Sachsenhausen und Buchenwald wurde das Gelände nicht als Internierungslager für Nationalsozialisten genutzt. Die sowjetische Armee nutzte große Teile des ehemaligen Konzentrationslagers für militärische Zwecke, die für die Öffentlichkeit nicht zugänglich waren.[3][4]

Unmittelbar nach der Befreiung wurden rund um das Lager drei Friedhöfe angelegt, auf denen die Toten bestattet wurden. In den frühen 1950er Jahren wurden sie in ein Massengrab entlang der späteren „Mauer der Nationen“ umgebettet. Auch die umfangreichen Aschenfunde im Umkreis des Krematoriums wurden dort beigesetzt.[5]

Seit 1948 fanden die ersten Gedenkveranstaltungen auf dem Gebiet des ehemaligen Krematoriumsgeländes statt, organisiert von ehemaligen Häftlingen und der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes. Dabei wurden oberflächliche bauliche Abgrenzungen zur sowjetischen Kaserne errichtet, ohne den ursprünglichen Baubestand zu verändern. Infolgedessen entstand eine kleine Gedenkstätte mit einer provisorischen Stele und einer Feuerschale, die als Obelisk bezeichnet wurde. Gedenkfeiern dieser Art wurden fortan jährlich veranstaltet.[6]

Errichtung der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bronzeskulptur „Tragende“ am Ufer des Schwedtsees

Die ersten Gedenkstättenbauten sind aus dem Gründungsmythos „Antifaschismus“ der DDR, um das Leid der NS-Opfer propagandistisch zu nutzen entstanden. Ab März 1954 begann die bauliche Gestaltung des Geländes u a. durch das sogenannten Buchenwald-Kollektivs, das einen Teil der ehemaligen KZ-Anlagen außerhalb der Lagermauer, das Krematorium, das ehemalige Lagergefängnis (Zellenbau) und einen Teil der vier Meter hohen Lagermauer in die Gestaltung miteinbezog. In dem 1959 angelegten Massengrab vor der westlichen Lagermauer wurden Überreste verstorbener Häftlinge aus verschiedenen Grabstellen beigesetzt. Das Zentrum der Gedenkanlage bildet die Bronzeskulptur „Tragende“ von Will Lammert. Sie steht auf einem Podest, das auf einer künstlich geschaffenen Uferkante platziert ist. Diese Uferkante führt über Stufen hinab in den Schwedtsee und ragt teilweise in den See hinein.[7]

Am 12. September 1959 wurde die „Nationale Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück“ als eine der drei nationalen KZ-Gedenkstätten der DDR eröffnet. Bei der Eröffnungszeremonie hielt die Überlebende Rosa Thälmann die Gedenkrede.[8]

1959 wurde im Zellenbau das erste Lagermuseum eingerichtet, das Erinnerungsstücke, Zeichnungen und Dokumente von Überlebenden aus verschiedenen europäischen Ländern enthielt. In den frühen 1980er Jahren entwickelte die Leitung der Gedenkstätte die „Ausstellung der Nationen“ im Zellenbau, wodurch einzelne Länder ihre Räume selbst gestalten konnten. Zusätzlich wurden im Obergeschoss 17 nationale Gedenkräume eingerichtet. Ab 1984 wurde die ehemalige SS-Kommandantur, die bis 1977 vom sowjetischen Militär genutzt wurde, als „Museum des antifaschistischen Widerstandskampfes“ genutzt und beherbergte die zentrale Dauerausstellung der Gedenkstätte.[9][4]

Von Mai 1945 bis Ende Januar 1994 wurde das ehemalige KZ-Gelände mit Ausnahme des Gedenkareals am Ufer des Schwedtsees von der Sowjetarmee bzw. den GUS-Streitkräften genutzt.

Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick auf die erste Lagerstraße, die mit Schlacke gestalteten Flächen sind deutlich sichtbar.
Sicht auf einige der ehemaligen Aufseherinnenhäuser

Nach der Wiedervereinigung wurde die Gedenkstätte 1993 Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten.[10] Nach dem Abzug der GUS-Truppen zwischen 1992 und 1994 wurde das ehemalige Lagergelände für die Öffentlichkeit und insbesondere für Forschungszwecke zugänglich gemacht. Im Jahr 1997 schrieb die Stadt Fürstenberg mit Unterstützung des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg, einen international ausgelobten und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb für die Gestaltung des gesamten ehemaligen KZ-Areals aus.[11][12]

Bis zum Jahr 2001 wurde der Entwurf für den Bereich Ravensbrück umgesetzt, wobei die ursprüngliche Gestaltung, die auch das Siemenslager und das Gelände des Konzentrationslagers Uckermark umfasste, verworfen wurde. Die Umgestaltung des Geländes führte zur vollständigen Beseitigung aller Spuren der sowjetischen Nachnutzung und zur Bedeckung des gesamten Areals mit dunkler, grobkörniger Schlacke. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurden die historischen Standorte der Baracken als dezente Reliefdarstellungen im Boden nachgezeichnet und einzelne Fundamentreste freigelegt. Der Baumbestand entlang der ehemaligen Lagerstraße wurde erhalten.[13][14]

Im Jahr 2002 wurde die Internationale Jugendbegegnungsstätte Ravensbrück und Jugendherberge in den ehemaligen Aufseherinnenhäusern, die sich in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Lagers befinden, als Ort historisch-politischer Bildung eingerichtet.[15] 2007 eröffnete das Besucherzentrum. In den zwischen 2011 und 2013 denkmalgerecht sanierten Räumlichkeiten der ehemaligen KZ-Kommandantur sind die bedeutendsten Exponate der Hauptausstellung zu finden, die im Jahr 2013 eröffnet wurde.[10]

Skulpturen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anreise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Mahn- und Gedenkstätte kann über den Bahnhof Fürstenberg/Havel (RE 5: Berlin–Stralsund/Rostock), die B 96 und den Radweg Berlin–Kopenhagen erreicht werden.

Filmografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Simone Hannemann: Die Entstehung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, 1945 bis 1959 (= Arbeitspapiere des Forschungsverbundes SED-Staat. Nr. 27). Forschungsverbund SED-Staat, Berlin 1997.
  • Erika Schwarz, Simone Steppan: Die Entstehung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück. 1945–1959. In: Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanne Lanwerd (Hrsg.): Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945–1995. Ed. Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-257-6. S. 218–239
  • Reinhard Plewe, Jan Thomas Köhler: Baugeschichte Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Bd. 11, Berlin 2001, ISBN 3-89468-264-7.
  • Anne-Kathleen Tillack-Graf: Erinnerungspolitik der DDR. Dargestellt an der Berichterstattung der Tageszeitung „Neues Deutschland“ über die Nationalen Mahn- und Gedenkstätten Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen. Peter Lang, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-631-63678-7 (Inhaltsverzeichnis).
  • Alyn Beßmann, Insa Eschebach (Hrsg.): Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Geschichte und Erinnerung. Ausstellungskatalog (= Schriftenreihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Band 41). Metropol, Berlin 2013, ISBN 978-3-86331-122-3 (Inhaltsverzeichnis).
  • Anne Mertins: Räumliche Überlagerungen. Erkenntnisse zu den Raumbeziehungen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück durch eine zeichnerisch-räumliche Analyse. In: Janine Fubel, Alexandra Klei, Annika Wienert: Space in Holocaust Research. A Transdisciplinary Approach to Spatial Thinking. De Gruyter 2024, ISBN 978-3-11-107814-4. S. 327–352

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (Hrsg.): Denkmalliste des Landes Brandenburg – Landkreis Oberhavel. D) Denkmale übriger Gattungen, ID-Nummer 09165243, 31. Dezember 2018, S. 22 (bldam-brandenburg.de [PDF; 276 kB; abgerufen am 13. Mai 2019]).
  2. Interesse an Gedenkstätten wächst: Sachsenhausen zählt mehr internationale Besucher. In: Der Tagesspiegel. 26. Januar 2015, abgerufen am 6. April 2015.
  3. Jan Thomas Köhler: Wie authentisch ist der authentische Ort? Zum Umgang mit den baulichen Relikteen des Konzentrationslagers. In: Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanne Lanwerd (Hrsg.): Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945–1995. Ed. Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-257-6, S. 240.
  4. a b Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Band II: Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen. Bonn 2000, ISBN 3-89331-391-5, Eintrag Fürstenberg/Havel, S. 271–275 (bpb.de [PDF; 23,9 MB]).
  5. Frühes Gedenken (1945 - 1959) Mahn‑ und Gedenkstätte Ravensbrück. In: www.ravensbrueck-sbg.de. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  6. Jan Thomas Köhler: Wie authentisch ist der authentische Ort? Zum Umgang mit den baulichen Relikteen des Konzentrationslagers. In: Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanne Lanwerd (Hrsg.): Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945–1995. Ed. Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-257-6, S. 243.
  7. Jan Thomas Köhler: Wie authentisch ist der authentische Ort? Zum Umgang mit den baulichen Relikteen des Konzentrationslagers. In: Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanne Lanwerd (Hrsg.): Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945–1995. Ed. Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-257-6, S. 243–247.
  8. Gudrun Schwarz: Zur Gedenkstätte Ravensbrück. In: Jürgen Danyel (Hrsg.): Die geteilte Vergangenheit. Zum Umgang mit Nationalsozialismus und Widerstand in beiden deutschen Staaten. Akademie Verlag, 1995, ISBN 978-3-05-002642-8, S. 156.
  9. Nationale Mahn- und Gedenkstätte (1959 - 1992). In: www.ravensbrueck-sbg.de. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  10. a b Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück (seit 1993). In: www.ravensbrueck-sbg.de. Abgerufen am 10. Mai 2024.
  11. Anne Mertins: Räumliche Überlagerungen. Erkenntnisse zu den Raumbeziehungen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück durch eine zeichnerisch-räumliche Analyse. In: Janine Fubel, Alexandra Klei, Annika Wienert (Hrsg.): Space in Holocaust Research. A Transdisciplinary Approach to Spatial Thinking. De Gruyter, 2024, ISBN 978-3-11-107814-4, S. 341.
  12. Donata Valentin: Der internationale landschaftsplanerische Ideenwettbewerb. In: Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanne Lanwerd (Hrsg.): Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945–1995. Ed. Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-257-6, S. 282.
  13. Anne Mertins: Räumliche Überlagerungen. Erkenntnisse zu den Raumbeziehungen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück durch eine zeichnerisch-räumliche Analyse. In: Janine Fubel, Alexandra Klei, Annika Wienert (Hrsg.): Space in Holocaust Research. A Transdisciplinary Approach to Spatial Thinking. De Gruyter, 2024, ISBN 978-3-11-107814-4, S. 341–345.
  14. Donata Valentin: Der internationale landschaftsplanerische Ideenwettbewerb. In: Insa Eschebach, Sigrid Jacobeit, Susanne Lanwerd (Hrsg.): Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Gedenkstätte Ravensbrück 1945–1995. Ed. Hentrich, Berlin 1999, ISBN 978-3-89468-257-6, S. 289.
  15. Internationale Jugendbegegnungsstätte. In: www.ravensbrueck-sbg.de. Abgerufen am 10. Mai 2024.

Koordinaten: 53° 11′ 22,5″ N, 13° 9′ 51,7″ O