Pro-Lie-Gruppe

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Eine Pro-Lie-Gruppe ist in der Mathematik eine topologische Gruppe, die sich in gewisser Weise als Grenzwert von Lie-Gruppen schreiben lässt.

Die Klasse aller Pro-Lie-Gruppen enthält alle Lie-Gruppen, kompakten Gruppen und zusammenhängenden lokalkompakten Gruppen, ist aber abgeschlossen unter beliebigen Produkten, was sie oft einfacher zu handhaben macht als beispielsweise die Klasse der lokalkompakten Gruppen. Lokalkompakte Pro-Lie-Gruppen sind seit der Lösung des fünften Hilbertschen Problems durch Andrew Gleason, Deane Montgomery und Leo Zippin bekannt, die Erweiterung auf nichtlokalkompakte Pro-Lie-Gruppen ist im Wesentlichen auf das Buch The Lie-Theory of Connected Pro-Lie Groups von Karl Heinrich Hofmann und Sidney Morris zurückzuführen, hat aber inzwischen auch viele Autoren angezogen.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine topologische Gruppe ist eine Gruppe mit Verknüpfung und neutralem Element versehen mit einer Topologie, sodass sowohl (mit der Produkttopologie auf ) als auch die Inversenbildung stetig sind. Eine Lie-Gruppe ist eine topologische Gruppe, auf der es zusätzlich eine differenzierbare Struktur gibt, sodass die Multiplikation und Inversenbildung glatt sind. Eine solche Struktur ist – falls sie existiert – immer eindeutig.

Eine topologische Gruppe ist genau dann eine Pro-Lie-Gruppe, wenn sie eine der folgenden äquivalenten Eigenschaften hat:

  • Die Gruppe ist der projektive Limes einer Familie von Lie-Gruppen, genommen in der Kategorie der topologischen Gruppen.
  • Die Gruppe ist topologisch isomorph zu einer abgeschlossenen Untergruppe eines (eventuell unendlichen) Produktes von Lie-Gruppen.
  • Die Gruppe ist vollständig (bzgl. ihrer linken uniformen Struktur) und jede offene Umgebung des Eins-Elementes der Gruppe enthält einen abgeschlossenen Normalteiler , sodass die Quotientengruppe eine Lie-Gruppe ist.

Man beachte, dass in diesem Artikel – sowie in der Literatur über Pro-Lie-Gruppen – eine Lie-Gruppe immer endlichdimensional und hausdorffsch ist, aber nicht zweitabzählbar sein muss. Insbesondere sind also überabzählbare diskrete Gruppen nach dieser Terminologie (nulldimensionale) Lie-Gruppen und somit insbesondere Pro-Lie-Gruppen.

Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Jede Lie-Gruppe ist eine Pro-Lie-Gruppe.
  • Jede endliche Gruppe wird mit der diskreten Topologie zu einer (nulldimensionalen) Lie-Gruppe und somit insbesondere zu einer Pro-Lie-Gruppe.
  • Jede proendliche Gruppe ist somit eine Pro-Lie-Gruppe.
  • Jede kompakte Gruppe lässt sich in ein Produkt von (endlichdimensionalen) unitären Gruppen einbetten und ist somit eine Pro-Lie-Gruppe.
  • Jede lokalkompakte Gruppe besitzt eine offene Untergruppe, die eine Pro-Lie-Gruppe ist, insbesondere ist jede zusammenhängende lokalkompakte Gruppe eine Pro-Lie-Gruppe (Satz von Gleason-Yamabe)[1].
  • Jede abelsche lokalkompakte Gruppe ist eine Pro-Lie-Gruppe.
  • Die Butcher-Gruppe aus der Numerik ist eine Pro-Lie-Gruppe, die nicht lokalkompakt ist.
  • Allgemeiner ist jede Charaktergruppe einer (reellen oder komplexen) Hopf-Algebra eine Pro-Lie-Gruppe, die in vielen interessanten Fällen nicht lokalkompakt ist.[2]
  • Die Menge aller reellwertigen Funktionen von einer Menge ist mit der punktweisen Addition und der Topologie der punktweisen Konvergenz (Produkttopologie) eine abelsche Pro-Lie-Gruppe, die für unendliches nicht lokalkompakt ist.
  • Die projektive spezielle lineare Gruppe über dem Körper der -adischen Zahlen ist ein Beispiel einer lokalkompakten Gruppe, die keine Pro-Lie-Gruppe ist. Dies liegt daran, dass sie einfach ist und somit die dritte oben genannte Bedingung in der Definition einer Pro-Lie-Gruppe nicht erfüllt sein kann.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://terrytao.wordpress.com/2011/10/08/254a-notes-5-the-structure-of-locally-compact-groups-and-hilberts-fifth-problem/
  2. Geir Bogfjellmo, Rafael Dahmen & Alexander Schmeding: Character groups of Hopf algebras as infinite-dimensional Lie groups. in: Annales de l’Institut Fourier 2016. Theorem 5.6