Victor N. Cohen

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Advico Young & Rubicam AG, Zürich, CH, gegründet 1946, Porträt von Victor N. Cohen
Urheber des Porträts unbekannt
Fotografie
eMuseum. Museum für Gestaltung Zürich. Archiv Zürcher Hochschule der Künste, Zürich

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Victor Niazi Cohen (geboren 1910 in Konstantinopel, heute Istanbul; gestorben am 13. April 1975) war ein Schweizer Werbepionier, aktiver Sozialdemokrat, Gründer des Ateliers Victor N. Cohen und der Werbeagentur Advico, Mitbegründer der Stiftung für die Photographie und Freund von Bertolt Brecht. Er realisierte schweizweit wegweisende politische und kommerzielle Werbekampagnen und gilt als Pionier auf diesem Gebiet.[1][2][3]

Leben und Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Victor N. Cohen war der Sohn von sephardischen Juden, die aus der Türkei in die Schweiz eingewandert waren.[4] Seine berufliche Laufbahn begann er bei Orell Füssli in Zürich.[3] Während zwölf Jahren arbeitete der ausgebildete Grafiker und Gewerkschaftsfunktionär als Chef der Abteilung Werbung beim Medienhaus Ringier in Zofingen.

Karriere als Werbefachmann[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Politische und soziale Werbekampagnen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1946 eröffnete der Werbefachmann sein eigenes Atelier Victor N. Cohen in Zürich. Zu seinen Kunden zählten Organisationen der schweizerischen Arbeiterbewegung, Sozialwerke wie das Schweizerische Arbeiterhilfswerk (SAH) und die Gewerkschaftsbewegung. Ende der 1940er Jahre realisierte er mehrere politische Werbekampagnen für Abstimmungen und Sammelaktionen für die Flüchtlingshilfe und die Europahilfe. Die bekanntesten und umfangreichsten nationalen Kampagnen waren

  • 1947: «Pro AHV»
  • 1948: Flüchtlingshilfe
  • 1949: Aktion des guten Willens
  • 1950: Aktion gegen die Bundesfinanzreform[5]

Standort Gockhausen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1958 verlegte er sein Atelier Victor N. Cohen nach Gockhausen.[1] 1962 wurde das Werbebüro in eine Aktiengesellschaft namens Advico umgewandelt. Der Name steht für Ad-vertising Vi-ctor Co-hen. Die Werbeagentur zählte bald zu den grössten der Schweiz. Cohens Formel lautete «Vereinfachen – Versachlichen – Vermenschlichen».[2] Er galt als Förderer seiner Mitarbeiter. So liess er die Grafiker ihre eigenen Ideen einbringen, beispielsweise Ruedi Külling, der für BIC einen Werbespot konzipierte, in dem ein Kugelschreiber das Logo kritzelt. 1967 wurde dieser TV-Spot in Cannes mit Gold ausgezeichnet.[6] Für zahlreiche Kunden entwickelte Advico kommerzielle Werbung, Plakate und Spots, beispielsweise für

Mitbegründer der Stiftung für die Photographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zusammen mit Rosellina Burri-Bischof, Hans Finsler, Manuel Gasser (erster Präsident 1971 bis 1979) und anderen gehörte Cohen als Quästor zu den Gründungsmitgliedern der am 4. Mai 1971 ins Leben gerufenen «Stiftung für die Photographie».[11]

Firmenübernahme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1969 trat Cohen von der Leitung seiner Werbeagentur zurück und widmete sich hauptsächlich der Cohen Holding. Seine Agentur baute er zu einer Full-Service-Agentur aus. Als er im Jahr 1975 überraschend an einem Herzinfarkt starb,[1][2] übernahmen drei seiner Mitarbeiter, Jean H. Girard, Ruedi Külling und Bruno Widmer[12] die Leitung der Advico. 1978 kauften sie die Anteile der Firma. Die Televico wurde ausgegliedert und unter neuem Namen topic film ag von Robert Cohen geleitet, der in der Werbeagentur seines Vater gearbeitet hatte.[13] Im Jahr 1989 fusionierte Advico mit der amerikanischen Werbeagentur Young & Rubicam.[2]

Privatleben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zusammen mit Mimi Cohen hatte er zwei Söhne, Peter und der Filmemacher und Schriftsteller Robert Cohen. Er war ein Freund von Bertolt Brecht. Mit ihm teilte er seine sozialistische Utopie.[1][3]

Werbepublikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sieben Lieder von der Liebe. Zu einem Sträusslein gebunden und als Neujahrsgabe dargereicht von Victor N. Cohen. Zürich 1953.
  • Das Loch. Gockhausen, 1960.
  • Gockhauser Gestalten. Lichtdruck AG, Zürich 1965.
  • Denkanstösse, Erkenntnisse, Fragen und Vorschläge zur Veränderung. Küsnacht-Itschnach, 1975.

Gruppenausstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1960: Schweizer Plakate 1960, Kunstgewerbemuseum der Stadt Zürich, 25. Februar bis 12. März 1961[14]

Nachlässe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Werbekampagnen 1947–1950[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im September 1996 überliess sein Sohn Peter Cohen dem Schweizerischen Sozialarchiv mit Sitz in Zürich zahlreiche Unterlagen zu Werbekampagnen, die sein Vater zwischen 1947 und 1950 realisiert hatte. Die neun Aktenserien wurden im Jahr 2000 bearbeitet und können im Lesesaal des Schweizerischen Sozialarchivs eingesehen werden.[15]

Brecht-Sammlung Victor N. Cohen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Bertolt Brecht und Helene Weigel 1947 zurück aus dem amerikanischen Exil eine Zwischenstation in der Schweiz machten, wohnten die beiden in Feldmeilen in unmittelbarer Nähe von Mimi und Victor N. Cohen. Wahrscheinlich 1949, bevor Brecht und Weigel nach Berlin reisten, vertraute der Dramatiker seinem Freund ein grösseres Konvolut mit Manuskripten, 350 Briefen, Notizen, Pässen, Verträgen, Rechnungen, Fotos und weiteren Materialien zum Aufbewahren an. Die Dokumente blieben über Jahrzehnte im Zürcherischen Feldmeilen. Es ist nicht bekannt, weshalb Cohen diese bis zu seinem Tod nicht öffentlich machte. Seine Söhne Peter und Robert wussten, dass es da noch etwas Schriftliches von Brecht gebe. Allerdings waren ihnen der Umfang und die Qualität der Materialien nicht bewusst. Erst bei der Räumung eines Lagers wurden sie auf die vergessenen Dokumente aufmerksam. Ab Ende der 1990er Jahre war die Existenz der «Brechtsammlung Victor N. Cohen» den Forschern bekannt. Die Verhandlungen mit den Erben von Bertolt Brecht sollten acht Jahre lang dauern, bis der Bestand schliesslich an sie übergingen. Im Jahr 2006 verkauften sie das Konvolut für 260’000 Euro an die Berliner Akademie der Künste weiter.[1][4][16][17]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Advico AG (Hrsg.): Victor N. Cohen. Auf was es beim Gestalten ankommt. Gockhausen 1976.
  • Werner Rüedi: Die Markenhüter von Gockhausen. In: Werbeagenturen Schweiz. Sonderausgabe der Handelszeitung. 1997.
  • Jost Wirz: C wie Cohen. In: Gut gebrüllt! 100 Zitate von den besten Schweizer Werbern. 2010.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Schweizer Werbepionier, Sozialist, Freund von Bertolt Brecht – auf den Spuren von Victor N. Cohen. In: Schweizer Radio und Fernsehen, «Kulturplatz», 22. März 2006, abgerufen am 8. März 2024.
  2. a b c d e Advico Young & Rubicam AG, Zürich, CH. In: eMuseum, Museum für Gestaltung, abgerufen am 7. März 2024.
  3. a b c Henri Stierlin: Zum Tod von Victor N. Cohen. In: Das Werk: Architektur und Kunst = L'oeuvre: architecture et art, Band 62, Heft 7, 1975, S. 636, abgerufen in E-Periodica am 7. März 2024.
  4. a b Steffen Richter: „Ich küsse dich vorsichtig und unvorsichtig.“ Jahrhundert-Fund in der Garage. In: Tagesspiegel, 16. März 2006, abgerufen am 7. März 2024.
  5. Cohen, Victor N. (1910–1975), Aktenserien In: Schweizerisches Sozialarchiv, abgerufen am 7. März 2024.
  6. Plakat Bic-Kugelschreiber 1964, Ruedi Külling, Gestaltung Advico AG, Gockhausen, CH (gegründet 1946). In: eMusuem, Museum für Gestaltung, abgerufen am 7. März 2024.
  7. Riri, Plakat, Entwurf Ruedi Külling, Fotografie: Kurt Staub, Auftraggeber: Auftrag Riri S. A., Mendrisio. In: eMusuem, Museum für Gestaltung, abgerufen am 7. März 2024.
  8. Sinalco, Werbeplakate 1961–1989., Auftraggeber: Trank AG, Zürich. In: eMusuem, Museum für Gestaltung, abgerufen am 7. März 2024.
  9. Provin, Geschenkverpackung für Spirituosenflasche La Gotta., Entwurf Hansruedi Widmer, Auftraggeber: Provins du Valais, Sitten. In: eMusuem, Museum für Gestaltung, abgerufen am 7. März 2024.
  10. Gute Reise in guter Gesellschaft, 20 Jahre EL AL, Advico AG, Gockhausen, Entwurf Ruedi Külling, 1969. In: Plakatsammlung Schule für Gestaltung Basel, abgerufen am 20. März 2024.
  11. Handelsregister des Kantons Zürich: Tagebuch Register-Akten 1971, No. 4434.
  12. Oliver Prange: Interview mit: WIDMER. Bruno Widmer – Der Genussmensch. In: persönlich, 8. Juni 2000, abgerufen am 7. März 2024.
  13. Luitgard Koch: Weiblicher Widerstand im Schatten männlicher Dominanz In: Literaturkritik, 25. Juni 2009, abgerufen am 17. März 2024.
  14. Schweizer Plakate 1960. Die besten Plakate des Jahres 1960 mit der Ehrenurkundes des Eidg. Departements des Innern, Kunstgewerbemuseum der Stadt Zürich. In: Museum für Gestaltung‚ eMuseum, abgerufen am 6. März 2024.
  15. Cohen, Victor N. (1910-1975). In: Schweizerisches Sozialarchiv, abgerufen am 5. März 2024.
  16. FAZ.NET mit Material von dpa: Akademie erwirbt unbekannten Brecht-Nachlaß. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Dezember 2005, abgerufen am 20. März 2024.
  17. Dunja Welke: "Das ist ja alles Brecht!": Der Jahrhundertfund von Zürich. In: Deutsche Welle, 15. August 2006, abgerufen am 20. März 2024.