Benutzer:M.sack

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☞ "Ein Lexikon gewöhnlicher Art ist ein Buch, das niemandem gehört und das für niemanden steht. Die Folge ist eine geringere Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt im einzelnen ... So muß man fast zu dem Schluß kommen: je mittelmäßiger die Leute sind, die das Lexikon machen, desto mehr wird es wirklich Lexikon sein; d.h. eine Sammlung von Theorien und Regeln die im Brauch sind. Daher vollkommene Banalität der Ansichten. Keine Abhandlung kann selbstständig sein, d.h. von einem Geist mit eigenen Ansichten herrühren, ohne mit den anderen zusammenzustoßen, die nur die Allerweltsmeinung wiederholen." Aber freilich: "Es gibt keinen Künstler, der nicht auf seinem Wege erfahren hat, wieviel mehr Einsicht und Klarheit er ein paar Worten eines erfahrenen Meisters entnehmen kann als der gewöhnlichen Lehre." Eugene Delacroix

☞ Fachliteratur ist kein religiöses Schrifttum, der famose Forschungsstand ist kein Fetisch und kein Konsenz entbindet von der eigenen Verantwortung gegenüber dem Geist. Eine wahre Enzyklopädie ist eine Einrichtung für Fragestellungen, so denn jede Generation ihre eigene schreiben muß.

☞ Endlich online, alle Schriften von Walter Benjamin: [1]

☞ Lebe in Rom und Berlin ☞ Pittore, im Sinne reiner Grundlagenforschung, ohne weitere merkantile oder präsentative Interessen. Austausch dagegen jeder Zeit. ☞ Politisch, links, wenn man bedenkt, daß ich schon mit 19 als Politischer im Osten gesessen habe. (Nicht allzu lustig, aber eins meiner interessantesten Jahre.)

Hier nur noch aus dokumentarischen Gründen mein gelöschter Vorschlag zur Klassischen Malerei (Komment des Admin damals:"nix gemacht worden, nur schwärmerei"). - Teile des Artikels habe später für Klassische Kunst verwendet. Es gab halt nichts in der Richtung und so war wenigstens ein Anfang gemacht. Seither ist dort nichts passiert obwohl der Begriff ja durch Größen wie Hegel und Riegl bedeutend eingeführt. Vielleicht kommt es trotzdem hier im Projekt einmal über eine Redundanz-Diskussion hinaus.

Ich verdanke dem Wikipedia-Projekt nicht zuletzt die Erkenntnis, daß eine Enzyklopädie ein Kampf ist, vielmehr als eine Sammlung. In meiner Studienzeit fiel mir ein Phänomen auf das ich Textrealismus genannt habe. Es ging dort um Texte. Was diese mit Erfahrung zu tun haben war weniger "spannend", wohl auch etwas Ewig-Ungewisses, während das, daß etwas dort und dort stand und eben zitierbar war, am Ende mehr taugte als die Wirklichkeit. Der Textrealismus hängt mit der "Allgemeinbildung" zusammen, die wiederum mit der alten Schriftgläubigkeit und mit dem "Weh über Euch, Ihr Schriftgelehrten" fängt ja das Abendland eigentlich an. – Also mit Heraklit. Der singt es zuerst: "Ihn [Homer], der noch der klügste war unter den Griechen, führten Knaben die Läuse töteten in die Irre, indem sie sagten: Das was wir gesehen und angefaßt haben, das lassen wir zurück und das was wir nicht gesehen und nicht angefaßt haben, das nehmen wir mit." Heraklit konnte natürlich nicht wissen wie wichtig heute der Polymatias geworden ist; seiner Meinung nach keine Sophia, und mag es so sein, aber entscheidend um in der Welt keine figura di merda zu machen, sowohl als aus Wissensshows Taschen mit Gold und Silberlingen zu schleppen. Nun, man muß zufrieden sein, wenn man von Zeit zu Zeit ein kleines Holzpferd in das Troja des Wahns schieben kann: Einmal lebt ich wie Götter.

Klassische Malerei

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Klassische Malerei ist kein kunstwissenschaftlicher Fachbegriff. Er fließt aber vielfältig in den gemeinsprachlichen Gebrauch und in die kunsttheoretischen Konzeptionen der Sach- und Fachliteratur ein. Genau wie das im Englischen verbreitete classical painting oder im Italienischen die pittura classica meint klassische Malerei heute zumeist weder einen bestimmten Stil noch eine bestimmte Epoche, sondern zunächst eine Zeichnung oder Malerei die als sowohl gegenständlich wie harmonisch erscheint. Entscheidend damit verbunden ist die Idee der Erlernbarkeit und Vervollkommenbarkeit, wie sie aus den Werkstätten der Antike und des Mittelalters in das Selbstverständnis der neuzeitlichen Meister und Kunstakademien überging.

Begrifflichkeit

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Nachweislich als erster erweitert der römische Grammatiker Aulus Gellius im 2. Jh. den Begriff classis aus dem ursprünglichen civis classicus (römischer Steuerzahler erster Klasse) zu einem scriptor classicus (Schriftsteller erster Klasse). Damit machte Gellius die "Klasse" zu einem Begriff, der nun, nach seinem Vorbild, alles Maßgebliche bezeichnen konnte. In diesem Sinne gebraucht etwa Heinrich Schütz den Klassikbegriff in seiner Vorrede zur "Geistlichen Chormusik" (1648): besondern will ich vielmehr alle und iede / an die von allen vornehmsten Componisten gleichsam Canonisirte Italienische und andere / Alte und Newe Classicos Autores hiermit gewiesen haben. J. und W. Grimm fassen die Entwicklung zusammen:classisch nannte man anfangs nur die mustergültigen dichter und schriftsteller des römischen und griechischen alterthums, ebenso alles was sich auf sie oder auf die alte kunst oder auch auf die 'alten' überhaupt bezieht: die klassischen dichter, die klassische geschichtschreibung, die klassische literatur, das klassische alterthum, klassische kunst … der begriff hat sich nämlich erweitert in mustergültig überhaupt, künstlerisch vollkommen, zum vorbild tauglich. Gleichzeitig mit dieser Verallgemeinerung entwickelt sich der Begriff des Klassischen als Gegenbegriff zum Modernen, denn: in der kunstwelt so die Grimms weiter braucht man klassisch als gegensatz von romantisch oder auch von naturalistisch u. dgl.

Hegel bestimmt klassische Kunst als das: was die wahrhafte Kunst ihrem Begriff nach ist. Der Punkt auf den es Hegel dabei ankommt ist die Überwindung des Symbolischen: Denn die klassische Schönheit hat zu ihrem Inneren die freie, selbständige Bedeutung, d.i. nicht eine Bedeutung von irgend etwas, sondern das sich selbst Bedeutende. Gegen eine gewisse tautologische Tendenz philosophischer Ästhetik richten sich Bemühungen, etwa eines Goethe, der hier das Mustergültige oder Maßgebliche in die Mitte des Lebens ziehen möchte: Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke.

Die Bestimmung des Klassischen nicht als Stil oder als isolierte Kunstepoche ist vor Goethe oder Hegel Ausgangspunkt Baumgartens und Winkelmanns. Dort wo aber bei letzteren der Begriff des Klassischen noch fehlt, erscheint vorgebildet die "allgemeine Schönheit"(Baumgarten), das "Ideal", das "Vollkommene" oder das "Schöne" (Winkelmann). Letzterer schreibt dazu:"Das Ziel der Kunst ist ihre auswählende und belehrende Funktion im Blick auf das Vollkommene der idealischen Schönheit." Daran sind die Leistungen aller Epochen und Künstler zu messen. In diesem Sinne schon Michelangelos Ausführung zur italienischen oder wahren bzw. zur "wirklichen Malerei", als ein Gleichnis der zeitlosen Werke Gottes: "Nur die Werke, die man in Italien schafft, kann man wahre Malerei nennen. Und deshalb nennen wir auch die wirkliche Malerei die italienische, so wie wir ihr den Namen nach einem anderen Land gäben, wenn sie dort so gut geschaffen würde. … So nennt man also nicht jedes in Italien entstandene Gemälde "italienische Malerei", sondern jedes, das gut und mit Wissen gemacht worden ist. … Denn diese edelste Kunst gehört keinem Lande an, sondern stammt vom Himmel." Ohne eine solche Idee des Klassischen sind Kunstwerke zwar in eine kunsthistorische Ordnung zu bringen, aber der Kunstkritik fehlte die Grundlage von einem Meisterwerk oder einer Verfallsepoche zu reden. Über Zeichnung, Licht und Raum müssen nach Heinrich Wölfflin: "zusammenhängende Untersuchungen gemacht sein, wenn die Kunstgeschichte nicht nur Illustration der Kulturgeschichte sein will.", sondern eine "Geschichte des künstlerischen Sehens".

In die Geschichte um diese Bemühung ging dabei insbesondere das Werk Winkelmanns ein. Gegen eine bloße "Illustration der Kulturgeschichte" unternimmt er die Bestimmung des Klassischen als zeitloses Ideal und zugleich der kulturellen Grundlagen, welche die Ausformung dieses Ideals in der Kunst möglich gemacht haben: "Die Geschichte der Kunst des Altertums, welche ich zu schreiben unternommen habe, ist keine bloße Erzählung der Zeitfolge und der Veränderung in derselben … meine Absicht ist, einen Versuch eines Lehrgebäudes zu liefern." Als Grundstein zu einem universalen Lehrgebäude konzipiert ist gleichfalls die Farbenlehre Goethes; mit deren Prinzipien:"sich denn der Maler … penetrieren soll … so wird er sich imstande befinden, das Theoretische sowohl als das Praktische, im Erkennen der Natur und im Anwenden auf die Kunst, mit Leichtigkeit zu behandeln." Und weiter werden diese zeitlosen Prinzipien "dem Maler zuletzt einen Trost und Heiterkeit mitteilen, den er auf keine andre Art zu erlangen imstande ist." Welchen praktischen Erfolg aber die Theorien oder Lehrgebäude Vitruvs, Albertis, Leonardo da Vincis, Dürers, Winkelmanns, Goethes und vieler anderer immer haben konnten, entscheidend ist, daß sie im Sinne der Bestimmung eines zeitlosen und interkulturellen Maßstabes zur Bewertung von Kunst unternommen worden sind.

Im Verlauf wird der Begriff des Klassischen immer mehr Gegenbegriff zur Moderne. Dabei bekommt gerade das Prinzip der Erlernbarkeit und Vervollkommenbarkeit eine neue Bedeutung. Denn mit modernen Kunstrichtungen wie dem Expressionismus, Dadaismus oder Surrealismus treten zum ersten Mal so radikal neuartige Vorstellungen von Kunst auf den Plan, daß Erlernbarkeit und Vervollkommenbarkeit aus ihrem Selbstverständnis vollkommen herausgelöst worden sind. Wenn klassische Malerei als ein einschränkendes System von Regeln verstanden worden ist, das mit diesen Regeln zugleich ein Maß gibt, an dem ein Fortschritt beurteilt werden kann, dann fallen mit diesen Regeln die Handhaben, die verhindern sollen, daß Entwicklung nur noch in eine Vielfalt möglich ist.

Der Klassikbegriff des traditionellen Akademismus will diese einschränkenden Regeln, satt sie immer neu zu entdecken, aus Werken ableiten, deren Wert durch gesellschaftliche Konventionen beglaubigt vorliegt. Das notwendige Erstarren der traditionellen akademischen Kunst im Sinne der "Wahrung des Schönen" kritisiert etwa Courbet beispielhaft: "Man muß sich durch die Tradition durcharbeiten, wie ein guter Schwimmer einen Strom durchschwimmt. Die Akademiker ertrinken darin." "Klassisch" also oder zeitloses Beispiel wurden Bewegungen darum nur dort, wo sie sich nicht in Regeln abschlossen. Umgekehrt nicht weniger problematisch erscheint im Zusammenhang die Aufhebung der Regeln. Der starke Wandel der Auffassung von Kunst in der Moderne im Sinne der -Offenheit- wurde darum selbst von seinen Protagonisten nicht immer ohne grundsätzliche Bedenken betrachtet. So meint Pablo Picasso: "Die Maler leben nicht mehr innerhalb der Tradition. … Kein Kriterium kann mehr a priori auf ihn angewandt werden, weil wir nicht mehr an strenge Maßstäbe glauben. … In gewissem Sinn ist das eine Befreiung … Wenn du aber nicht mehr in der Lage bist, dich einer Ordnung zu unterwerfen, ist das im Grunde ein gefährlicher Nachteil."

Grundbegriffe klassischer Malerei

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Grundbegriffe beschreiben funktionale Prinzipien. Einfache Begriffe der Malerei beschreiben dagegen etwa Techniken, wie z. B. das sfumato. So haben Leonardo oder Raffael das sfumato angewandt, andere Meister nicht. Grundbegriffe dagegen sind funktional, das heißt klassische Malerei kann man überhaupt nur die Anwendung dieser Begriffe nennen.

Maler verschiedener Epochen haben mit verschiedenen Synonymen doch gleiche Prinzipien der Malerei gemeint. Die Schwierigkeiten der Kunst wie auch die lose Tradition der Begriffsbildung führen aber praktisch unfehlbar zu Mißverständnissen. Von diesen Schwierigkeiten spricht bereits Vitruv: "Man schreibt über die Baukunst nicht, wie wenn man eine Geschichte oder ein Gedicht verfertigt. ... weil die spezifischen zum Gebrauch der Zunft erfundenen Begriffe, auf Grund ihrer Ungebräuchlichkeit, Dunkelheit erzeugen." Für die Kunstkritik, die, anders als die Kunstgeschichte, nach dem Wahrheitsgehalt von Malerei fragt, bzw. nach dem Wahrheitsgehalt der Anerkennung von Werken, ist darum die Bemühung um das Verständnis der Grundbegriffe konstitutiv. Als Grundbegriffe verstanden und weiter ausgeführt werden im Folgenden: Kontemplation, Harmonie, Volumen und disegno.


Die Kontemplation gilt Teilen der Kunstkritik als eine der Grundlagen der klassischen Malerei. Sie bezeichnet die Fähigkeit einiger Maler im Auge die Farben von ihrer gegenständlichen Bedeutung teilweise oder vollständig zu trennen.

Früheste Zeugnisse dieser Fähigkeit finden sich in kunsttheoretischen Traktaten der Renaissance und in überlieferten Worten verschiedener Meister, so etwa Michelangelo Buonarrotis. Als einer der herausragenden Meister der jüngeren Geschichte, dessen Werk vorzüglich auf ein kontemplatives Schauen gestützt sein soll, gilt neben Paul Cézanne, der Hauptvertreter des Impressionismus der Maler Claude Monet. Über dessen „Auge“ wurden eine Vielzahl biographischer, psychologischer und kunstwissenschaftlicher Studien verfasst. Die ersten umfangreicheren theoretischen Ausführungen über den Gegenstand liefern die Schriften John Ruskins. Aber auch sein Werk hat keinen spezifischen kanonischen Kontemplationsbegriff für die bildende Kunst in der Kritik durchgesetzt, so, dass neben seinem „innocence of the eye“ (Unschuld des Auges) eine Reihe ähnlicher Begriffe oder Umschreibungen geprägt worden sind. So etwa Max Imdahls „sehendes Sehen“ oder Konrad Fiedlers „reines Sehen“. Der Vorteil des Kontemplationsbegriffs liegt in seiner kulturgeschichtlichen Dimension.

zum Begriff Kontemplation

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Das lateinische contemplatio ist eine Synthese aus con (gemeinsam, mit) und templum (dem heiligen Ort oder Raum Gottes) und bedeutet soviel wie anschauend, rein betrachtend; aber auch: passiv, untätig. Es gründet auf dem griechischen theoria und theorein, soviel wie: Rein empfangende zweckfreie Zuwendung zur Wirklichkeit. Aristoteles bestimmt Kontemplation in seiner Ethik als: „… das Tätig-Sein des Geistes, ein Akt des Schauens, das durch seine ernste Würde sich auszeichnend, nach keinem außerhalb gelegenen Ziele strebt, überdies vollendete Lust - die ihrerseits wieder die Tätigkeit intensiviert - wesensgemäß in sich schließt; und wenn das Sich-Selbst-Gnügende, das In-Sich-Ruhende und, innerhalb der menschlichen Grenzen, das Unermüdbare und alles, was sonst noch dem Menschen auf der Höhe des Glücks zugeschrieben wird, an diesem Tätig-Sein in Erscheinung tritt, so folgt, dass dieses Tätig-Sein das Glück des Menschen in Vollendung darstellt.

Die Kontemplation, als ein im Ideal reines Schauen, ist von fundamentaler Bedeutung für die vielfältigen Bewegungen der Mystik. Dem Wirrsal allen menschlichen Wünschens und Wollens soll in der Kontemplation das „Schauen“ oder „Anschauen“ entgegengesetzt werden. Philosophie und Mystik, wie auch der von der Meditation geprägte Buddhismus kennen durchaus das Konkrete oder Gegenständliche als Anhaltspunkt und Bezug der Kontemplation. Denn das hohe Ziel ist hier nicht Abwendung von der Natur oder der Schöpfung, sondern ein ihr neu zugewendetes, gereinigtes Neu-Sehen. Plotin etwa schreibt vom: „… Verweilen bei ihm [dem Schauen des Göttlichen] und Genießen der Dinge daselbst, in der Weise, dass jemand zugleich Subjekt und Objekt des Schauens seiner selbst und der übrigen Dinge wird“. Dieses Schauen nennt Johannes von KreuzLiebendes Aufmerken“, er kommentiert: „Die Seele muß Gott ein liebevolles Aufmerken entgegenbringen, nur dies, ohne in Akten sich zu besondern; rein empfangend muß sie sich verhalten, ohne eigene Geschäftigkeit, mit dem entschlossenen schlichten Aufmerken der Liebe, so wie jemand in liebreicher Achtsamkeit die Augen öffnet.Dante stellt in diesem Sinne dies reine Erwarten oder reine Empfangen noch vor die Liebe:

Durch Schaun [ne l’atto che vede] wird also Seligkeit errungen,
nicht durch die Liebe; die folgt erst dann,
wenn sie dem Schaun, als ihrem Quell, entsprungen.
Und das Verdienst, das man durch Gnad
und Güt erwirbt, ist Maß dem Schauen.
So steiget man von Grad zu Grad hinan.

Kontemplation in der bildenden Kunst

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Erst ab der Renaissance finden sich Dokumente die den Zusammenhang von Kontemplation und Malerei belegen. Nach Leonardo da Vinci soll sich: „Der Maler … verhalten gleich einem Spiegel, der sich in alle Farben verwandelt, welche die ihm gegenüberstehenden Dinge aufweisen. Und wenn er so tut, wird er wie eine zweite Natur sein.Giovanni Paolo Lomazzo (1584) überliefert:„So pflegte Michelangelo zu sagen, dieser überragende Bildhauer, Maler und Architekt, daß keine Gründe, weder der Geometrie, noch der Arithmetik, noch der Perspektivlehren, den Menschen nutzen, ohne das Auge, das heißt ohne die Schulung des Auges im Begriff des Schauens [in saper veder] und des Machenlassens der Hand. Und das sagte er und ergänzte, daß, soviel man das Auge auch in diesem Sinne schult, nämlich in nichts als dem reinen Schauen, ohne mehr Winkel, Linien oder Entfernungen zu unterscheiden, man die Freiheit der Hand gewinnt, jede gewünschte Figur zu schaffen, aber nie anders als was man perspektivisch zu sehen erwarten würde.

Ein Brief Nicolas Poussins wird gleichfalls häufig in diesen Zusammenhang eingeordnet. Poussin, der sein Werk in diesem Brief gegen Kritiker verteidigt, denen, nach ihm, eine entscheidende Kompetenz zu einem fundiertem Urteil fehlt, führt aus:„Man muss wissen, daß es zwei Arten gibt, Gegenstände zu betrachten: einmal der einfache Anblick, und zum anderen, sie mit Aufmerksamkeit zu betrachten. Einfach zu sehen ist nichts anderes, als im Auge die Form und Ähnlichkeit der gesehenen Dinge zu empfangen. Aber einen Gegenstand zu sehen, indem man ihn betrachtet, heißt – jenseits der einfachen und natürlichen Aufnahme der Form durch das Auge – mit einem besonderen Verfahren die Mittel zu suchen, um dasselbe Objekt gut zu erkennen: So kann man sagen, daß die einfache Ansicht [aspect] ein natürlicher Vorgang ist und jener, den ich Durchsicht [prospect] nenne, ein Akt des Verstandes, welcher von drei Dingen abhängt, nämlich vom begreifenden Auge [savoir de l'oeil], vom Sehstrahl und von der Entfernung des Auges zum Gegenstand. Und es ist diese Kenntnis, von der zu wünschen wäre, daß diejenigen, die sich einmischen, um ihr Urteil abzugeben, in ihr gut unterrichtet würden.“ Tatsächlich ist diese Passage in der Forschung so legendär wie in ihrem genauen Sinne umstritten. Unbestreitbar aber wird in diesem Lehrsatz Poussins ein anderes Sehen gegen das Erkennen von "Form und Ähnlichkeit" abgegrenzt.

Auch Goethe betont die Schwierigkeiten in der Sache: „Nunmehr behaupten wir, wenn es auch einigermaßen sonderbar klingen mag, daß das Auge keine Form sehe, indem Hell, Dunkel und Farbe zusammen allein dasjenige ausmachen, was den Gegenstand vom Gegenstand, die Teile des Gegenstandes voneinander fürs Auge unterscheidet. Und so erbauen wir aus diesen dreien die sichtbare Welt und machen dadurch zugleich die Malerei möglich …“. Frühere Hinweise auf die zentrale Voraussetzung der Malerei konnte Goethe aber schon in den Schriften Winkelmanns finden, dessen Sendschreiben bereits lehrt: "Bey Betrachtung eines Gemäldes ist etwas, was vorangehen muß; dieses ist die Belustigung der Augen, sagt jemand; und dieses bestehet in den ersten Reitzungen, anstatt daß dasjenige, was den Verstand rühret [die Identifikation der Objekte], allererst aus der Ueberlegung folget." John Ruskin erläutert in seinen „The Elements of Drawing“ diese Schwierigkeiten etwas näher: „Nur durch eine Reihe von Experimenten kommen wir darauf, daß ein schwarzer oder grauer Fleck die dunkle Seite eines festen Körpers ist oder daß eine schwache Färbung ein Anzeichen dafür ist, daß der betreffende Gegenstand weit weg ist. Die ganze Malerei hängt davon ab, ob es uns gelingt, das wiederzuerlangen, was ich die Unschuld des Auges [innocence of the eye] nennen möchte. Damit meine ich eine Art von kindlicher Wahrnehmung, mit der wir Farbflecken als das wahrnehmen, was sie sind, ohne Bewußtsein dessen, was sie bedeuten - wie ein Blinder sie sehen würde, wenn er plötzlich sehen könnte.

Paul Cézannes Beschreibung seiner kontemplativen Versenkung vor dem „Motiv“ macht den Zusammenhang zur Mystik besonders deutlich: „Der Künstler muß wie eine phototechnische Platte sein, auf der sich die Landschaft abzeichnet. … Das ganze Wollen des Malers muß schweigen. Er soll in sich verstummen lassen alle Stimmen der Voreingenommenheit. Vergessen! Vergessen! Stille schaffen! Ein vollkommenes Echo sein. Die Landschaft spiegelt sich, vermenschlicht sich, denkt sich in mir. Ich steige mit ihr zu den Wurzeln der Welt. Wir keimen. Eine zärtliche Erregung ergreift mich und aus den Wurzeln dieser Erregung steigt dann der Saft, die Farbe. Ich bin der wirklichen Welt geboren. Ich sehe.“ Und an anderer Stelle: „Man muß sich eine eigene Optik schaffen, das heißt man muß die Natur so sehen, als ob sie noch nie ein Mensch vor einem gesehen hätte. Sehen wie ein Neugeborener.“ Ganz im gleichen Sinne formuliert Henri Matisse: „Alles, was wir im täglichen Leben sehen, wird mehr oder weniger durch unsere erworbenen Gewohnheiten entstellt. Die zur Befreiung von den Bildfabrikaten notwendige Anstrengung verlangt einen gewissen Mut, und dieser Mut ist für den Künstler unentbehrlich, der alles so sehen muß, als ob er es zum erstenmal sähe. Man muß zeitlebens so sehen können, wie man als Kind die Welt ansah, denn der Verlust dieses Sehvermögens bedeutet gleichzeitig den Verlust jeden originalen Ausdrucks. Ich glaube z. B., daß nichts für den Künstler schwieriger ist, als eine Rose zu malen, weil er, um sie zu schaffen, zuerst alle vor ihm gemalten Rosen vergessen muß.“ Monet lehrt die Malerin L. C. Perry weder besondere Techniken noch Abstraktionen oder Ideale irgendeiner Art, sondern zunächst allein die Unterordnung unter das Motiv: „Wenn Sie zum Malen ins Freie gehen, versuchen Sie, die Objekte, die Sie vor sich haben - einen Baum, ein Haus, ein Feld oder was auch immer - zu vergessen. Denken Sie nur, hier ist ein blaues Quadrat, hier ein rosafarbenes Rechteck, hier ein gelber Streifen, und malen Sie es so, wie es für Sie aussieht, genau die Farbe und die Form, bis es Ihren eigenen naiven Eindruck der Szene vor ihnen abbildet.

Clemenceau betont in einem Gespräch mit Claude Monet eine Schwierigkeit eher menschlicher als technischer Natur, aber eben darum von einer schwer abschätzbaren Bedeutung in der Kunstkritik. Insbesondere berührt wird hier der Anspruch auf Allgemeinverständlichkeit oder allgemeine Zugänglichkeit von Kunst, bzw. die menschliche Verletzlichkeit angesichts besonderer Fähigkeiten von denen sie sich ausgeschlossen fühlen muss: „Für mich ist das demütigend, denn wir sehen beide keineswegs dieselben Dinge. Ich öffne die Augen ... aber ich bleibe an der Oberfläche gefangen … Während ich einen Baum anschaue, sehe ich nichts als einen Baum. Sie dagegen haben die Augen halb geschlossen und denken: Wie viele Töne wie vieler Farben sind in den leuchtenden Übergängen dies einen Stammes… Und Monet erwiderte mir: Sie können nicht wissen, wie wahr das alles ist. Das ist die Freude und Qual meiner Tage.

Ernst Gombrich (1978) macht, gestützt auf „moderne Wissenschaftslehre“ fundamentale Einwände gegen die Möglichkeit kontemplativer Erfahrung: „... dieses Ideal der reinen voraussetzungslosen Beobachtung, das der Theorie der Induktion zugrunde lag, hat sich in der Wissenschaft ebenso wie in der bildenden Kunst als illusorisch erwiesen. Die moderne Wissenschaftslehre hat an der Idee, daß es möglich sei, unbeeinflußt von jeder Erwartungsvorstellung drauflos zu beobachten, scharfe Kritik geübt. Karl Popper betonte, daß wir nicht imstande sind unseren Geist gleichsam in ein unbeschriebenes Blatt zu verwandeln ... sondern daß jede Beobachtung eine Frage voraussetzt, die wir an die Natur richten, und daß jede solche Frage eine vorläufige Hypothese in sich schließt...“ Es sind aber ohne die Integration von Neuem keine sensitiven oder kognitiven Prozesse vorstellbar. Darum muss es nicht überzeugen hier die vielfältigen und für die Kunstkritik bedeutsamen Dokumente mit dem Verweis auf ein unerreichbares Ideal abzutun. Andere Stimmen in der Kunstkritik haben die Möglichkeiten wissenschaftlichen Urteils in diesen Bereichen der Kunst überhaupt zurückgewiesen. So schreibt Paul Valéry: „Die Beobachtung des Künstlers kann eine fast mystische Tiefe erreichen. Die erhellten Gegenstände verlieren ihren Namen: Schatten und Helligkeit bilden Systeme und ganz besondere Probleme, die keinem Wissenschaftsbereich angehören, die sich auf keinerlei Praxis beziehen, die aber ihre ganze Existenz und ihren Wert von bestimmten eigentümlichen Übereinstimmungen zwischen der Seele, dem Auge und der Hand einer Person empfangen, die dazu geboren ist, sie in sich selbst zu finden und sie sich schöpferisch zu eigen zu machen.

Wo auch immer die menschlichen Grenzen liegen können in diese „Interpretation von Nervensignalen“ (Ingo Rentschler) durch Meditation oder Kontemplation einzugreifen, unterschiedliche Dokumente geben Hinweise darauf, dass die Kontemplation in der Malerei nur sehr problematisch mit einer Entspannungstechnik zu vergleichen ist. So geht etwa aus verschiedenen Briefen Monets hervor, welche Anstrengung ihn das Abtrennen der Farben vom Gegenstand kostet. Ebenfalls in diesem Sinne Cézanne: „Wie schwer ist es doch, einen Apfel zu sehen!“ Andererseits scheint hier aber auch der Vergleich mit der Konzentration auf besondere Weise eingeschränkt, da dem menschlichen Willen häufig nur eine in sich widersprüchliche oder paradoxe Funktion zugegeben wird. Cézanne drückt einmal diese Paradoxie der Kontemplation in einer knappen praktischen Lehre aus: „Es [das Motiv] nicht zu sich heranziehen, sondern sich ihm beugen.

Der Begriff Harmonie bezeichnet in der Malerei ein systematisches Beachten optisch-emotionaler Gesetzmäßigkeiten, welche eine Wahrheit über den jeweiligen Zeitgeschmack und sich stets wandelnde Schönheitsideale hinaus haben sollen. Sie ist elementarer Bestandteil der klassischen Malerei. Wie in der Musik gibt es aber auch in der Malerei keine allgemein anerkannte zeitlose Harmonielehre der Komposition, sondern nur systematisierte Aspekte, wie z.B. den Farbkreis oder die mathematische Perspektive.

Nach J. und W. Grimm ist Harmonie: „die verbindung von einzelnen gleichzeitig angeschlagenen tönen zu einem wolklingenden ganzen, die wolthuende anordnung der farben und gruppen eines gemäldes.“ Und nach der Farbenlehre Goethes: „entsteht doch die eigentliche harmonische Wirkung nur alsdann, wenn alle Farben nebeneinander im Gleichgewicht angebracht sind.

Zu den wichtigsten theoretischen Untersuchungen zur Harmonie zählen die Arbeiten Vitruvs, Leonardo da Vincis und Albrecht Dürers. Der Einfluss dieser und vergleichbarer Untersuchungen auf die Malerei ist umstritten. Nach Michelangelo verliert man mit solchen Theorien „nur seine Zeit, die man besser auf das Malen verwende“, denn der Künstler „hat das richtige Maß im Auge“. Ähnlich scheint Raffael eher eine „bestimmte Idee“ und die Natur den Zahlen Vitruvs vorzuziehen, wie auch die Antike die Proportionen ständig neu bestimmt hat und eher einer „bestimmten Idee“ zu folgen scheint.So schreibt Raffael an Baldassare Castiglione: „Um eine schöne Frau zu malen, müßte ich mehr schöne Frauen sehen, und zwar unter der Bedingung, daß Ihr mir bei der Auswahl behilflich wäret; aber da es so wenig schöne Frauen und befugte Richter gibt, so bediene ich mich einer bestimmten Idee, die mir in den Sinn kommt.

Bereits in der Kunst der alten Ägypter sieht Eric Hornung (1989) alle Symmetrie als „Teil eines umfassenderen Grundprinzips“ und führt aus: „Doch auch dann, wenn wir eine Stele, Scheintür, Statue oder Sargdekoration betrachten, haben wir das Gefühl einer vollkommenen Symmetrie, die jedoch kaum jemals starr und leblos wirkt.“ Das Paradox dieser „lebendigen Wirkung strenger Bezogenheit erklärt sich dadurch, daß nur auf den ersten Blick vollkommene Symmetrie scheint, was sich schon auf den zweiten Blick als raffinierte und wohldurchdachte Abweichung davon zu erkennen gibt. … in der wissenschaftlichen Literatur wurden Abweichungen von Symmetrie als Fehler oder Nachlässigkeit des ägyptischen Schreibers oder Künstlers erklärt.

Ob den altägyptischen Malern und Schreibern bereits theoretische Harmonielehren zur Seite standen ist unbekannt. Früheste abendländische Hinweise auf solche Lehren finden sich im Harmonia-Mythos der Theogonie Hesiods. Danach ist Harmonia die Tochter des Kriegsgottes Ares und der Aphrodite; ihre Geschwister sind Phobos (die Furcht) und Deimos (der Schrecken). An diese alten Quellen knüpft sich die neben der phytagoreischen einflussreichste Harmonietheorie Heraklits. Dort heißt es: „Widerstreitendes fügt sich und Auseinanderstrebendes ergibt Harmonie und alles entsteht durch Widerspruch.Aristoteles kommentiert dazu in seiner Ethik: „Die Natur strebt nach dem Entgegengesetzten und bringt hieraus und nicht aus dem Gleichen die Harmonie hervor ... Auch die Kunst bringt dies, offenbar durch Nachahmung der Natur, zustande. Die Malerei mischt auf dem Bilde die Bestandteile der weißen und schwarzen, der gelben und roten Farbe und bewirkt dadurch die Ähnlichkeit mit dem Original; die Musik mischt hohe und tiefe, lange und kurze Töne in verschiedenen Stimmen und bringt dadurch eine einheitliche Harmonie zustande ... Das gleiche spricht sich auch in dem Wort des dunklen Heraklit aus: Verbindungen sind: Ganzes - Teil, Eintracht - Zwietracht, Einklang - Mißklang und aus allem eins und aus einem alles.

Alle konkreten Harmonielehren welche dem Schüler direkte Handhaben geben wollen lehrten die Anwendung bestimmter Teilungsverhältnisse. In der bildenden Kunst nicht anders als in der Musik. Das ursprüngliche Maß aller Teilung war hier aber der menschliche Leib. Marcus Vitruvius Pollio gibt von diesem Ursprung ein eher ideelles aber bezeichnendes Bild: „Zuerst bauten sie [die Einwanderer in Ionien] dem Apollon Panionos einen Tempel … und nannten ihn dorischen Tempel, weil sie in den Städten der Dorer zum ersten Mal einen in dieser Art gebauten Tempel gesehen hatten. [...] Als sie an diesen Tempel Säulen hatten bauen wollen, maßen sie, da sie deren Symmetrien nicht kannten und deshalb danach suchten, wie sie es fertig bringen könnten, daß (die Säulen) zum Tragen von Lasten geeignet wären und zugleich im Anblick eine bewährte Anmut böten, den Abdruck eines männlichen Fußes und setzten dieses Maß zur Höhe [des Mannes] in Beziehung. [...] Dann übertrugen sie dieses Maß auf die Säule, und sie machten die Säule einschließlich des Kapitells sechsmal so hoch, wie sie den Schaft unten dick machten. So begann die dorische Säule die Proportion, die Stärke und die Anmut des männlichen Körpers an den Tempeln zu zeigen.“ Tatsächlich beschreibt Vitruv hier nicht dorische sondern spätklassische Proportionen.

Die bedeutendste antike Proportionslehre der bildenden Kunst stammt von Polyklet (5. Jh. v. Chr.). Er verfasste den heute verlorenen „Kanon“ und schuf insbesondere mit seinem Doryphoros (Speerträger) den maßgeblichen Ausdruck seiner Lehre. Dazu Galen (2. Jh n. Chr.): „Chrasippos ist der Meinung, daß körperliche Schönheit auf der Proportioniertheit der Glieder beruht, also eines Fingers zum anderen und aller Finger zur Mittelhand und Handwurzel und dieser Teile zum Unterarm und des Unterarms zum Arm und so fort jeden Teils zu allen, genau, wie es in Polyklets 'Kanon' beschrieben steht.“

Die Überzeugung in Proportionen oder Teilungsverhältnissen zeitlos gültige Grundlagen bildender Kunst zu finden wird in der Renaissance zugleich erneuert und relativiert. Antikekritik auf Grundlage abweichender Ergebnisse eigener Proportions-Forschung, sowohl als überhaupt ein unüberwindbares Moment der Willkür aller Proportionslehren, verstärkten die Suche nach einem übergeordneten und ungegenständlichen Sehgesetz. In Frage für ein solches Sehgesetz kam von Anfang nur die Verkürzung bzw. die Perspektive (la prospectiva).

Lange vor den Forschungen Galileis und Newtons zur Trägheit führt Leonardo da Vinci die unendliche Vielfalt der Schöpfung zurück auf ein immer gleiches Naturgesetz: „Jeder Vorgang in der Natur wird in der kürzest möglichen Zeit und Weise ausgeführt. Jeder Antrieb strebt nach ewiger Dauer. Das beweist der Eindruck, den die Sonne im Auge des Beschauers erregt, oder den Eindruck des Klangs, den der Klöppel bei der Erschütterung der Glocke hervorruft. Jeder Eindruck strebt nach ewiger Dauer, wie es die Erscheinung der Bewegung beweist, die an dem bewegten Gegenstand haften bleibt.“ Mit der Perspektive, die ja gleichfalls alle sichtbaren Dinge einer "kürzesten Wirkung" unterworfen darstellt - Leonardo spricht hier von der Sehpyramide - scheint ein solches einheitliches Naturgesetz für die Optik und damit für die bildende Kunst gefunden. Aber weder von Leonardo selbst, noch in einer anderen erhaltenen Lehrschrift der Meister wurde je ein naturgesetzlicher Zusammenhang von Verkürzung (lo scorto, bzw. la prospettiva) und Zeichnung (il disegno) dargestellt. Die Verteilung von Schwarz und Weiß, bzw. die Verteilung der "Massen" auf einem Bild im Zusammenhang mit dem Sehgesetz der Verkürzung wurde nur in der praktischen Unterweisung durch den Meister gelehrt und musste in jedem Werk neu bestimmt werden. Die Fülle der theoretischen Schriften seit der Renaissance, insbesondere die Betonung der Traktate Leonardo da Vincis, täuscht hier über große Zurückhaltung der Meister.

An dieser Stelle entstand akademische Lehre. Johann Georg Sulzer schreibt in seiner beispielhaft akademischen „Allgemeine(n) Theorie der Schönen Künste“ (1771/74): „Von Licht und Schatten hängt ein großer Teil der Harmonie ab ... Die höchste Einheit der Masse oder die höchste Harmonie findet sich nur auf der Kugel, die von einem einzigen Lichte beleuchtet wird. Das höchste Licht fällt auf einen Punkt und von da aus als dem Mittelpunkt, nimmt es allmählich durch völlig zusammenhängende Grade bis zum stärksten Schatten ab. Dieses ist das Muster, an dem sich der Maler halten muß, um die vollkommene Harmonie in Licht und Schatten zu erreichen.“ Solch ideale Lehre musste in entsprechend fragwürdigen Schlussfolgerungen münden: „Also muß man nicht immer auf die höchste Harmonie arbeiten; weil sie oft das Ganze unkräftig machen würde.“ (Sulzer)

Die ersten mathematischen Untersuchungen des Lichts, bzw. die Entdeckung der Spektralfarben durch Isaac Newton, beflügelte die Suche nach den Harmoniegesetzen allein im Reich der Farben. Heraus ragt hier die Entdeckung des Farbkreises (Runge, Goethe). Danach kommt Harmonie aus den Eigenschaften der sich im Farbkreis gegenüberliegenden Farben z.B. Rot-Grün. Aber auch in diese Farblehren gehen die Grundlagen der Zeichnung nicht ein. Daher ihre sehr widersprüchliche und oft missverstandene Bedeutung in der Malerei.

Im 19.Jhd. tritt bei den Malern an die Stelle des Harmoniebegriffs häufig der Begriff der Logik. So etwa bei Eugène Delacroix oder bei Paul Cézanne. Cézanne etwa lehrt: „Man muß sich so logisch wie möglich ausdrücken.“; „Malen heißt eine Harmonie unter zahlreichen Bezügen herstellen, sie in ein eigenes Tonsystem übertragen, indem man sie nach dem Gesetz einer neuen und originären Logik entwickelt.“; „Es gibt eine Farbenlogik, der Maler schuldet nur ihr Gehorsam. Niemals der Logik des Gehirns, wenn er sich der ergibt, ist er verloren. Immer der Logik der Augen.“ Synonym verwendet wurde gleichfalls die Rede vom Ausdruck. Ein Werk habe keinen Ausdruck, keine Kraft, keine Logik oder keine Harmonie, meint innerhalb dieses Gebrauchs weitgehend das Gleiche. Einen modernen theoretischen Ausdruck des Harmoniebegriffs gibt Charles Baudelaire in seinem Vorwort zu den "Fleurs du Mal". An die Zeitlosigkeit antiker Harmonielehre knüpfend spricht Baudelaire dort von: "dem unsterblichen Bedürfnis des Menschen nach Monotonie, Symmetrie und Überraschung".

Farbmodulation bedeutet in der Malerei die Darstellung der Raumdimension oder das Erzeugen einer Raumillusion mittels harmonisch entwickelter Abänderungen der Farbtöne. Die mathematische Perspektive und die Raumillusion durch die Imitation von Schatten-Verläufen, bzw. so genannter "Massen" oder "Werte", erscheinen hier als untergeordnete Aspekte der Harmonie (s.u.).

Der Begriff Farbmodulation geht auf eine Formulierung Paul Cézannes zurück:"Man sollte nicht sagen modellieren, sondern modulieren." Maurice Denis schreibt dazu:"Die Masse findet ihren Ausdruck in einer Farbskala, in einer Serie von Flecken. Diese Flecken werden kontrastiv oder analog gereiht, je nachdem, ob die Form unterbrochen oder fortgesetzt wird. Das ist, was er lieber modulieren als modellieren nannte." Jedes so modulierte Objekt verschmelze mit den "Farbreihen des Hintergrundes". Alle Aussagen Cézannes über die Behandlung des Lichts zielen in die gleiche Richtung, etwa:"Das Licht ist nicht ein Ding, das wiedergegeben werden kann, sondern etwas, das mit Farben dargestellt werden muss."

Obwohl hier im Zusammenhang vielfach auf die Bedeutung Delacroixs für Cézanne hingewiesen worden ist, geht die Entdeckung und Anwendung der Farbmodulations-Prinzipien zunächst viel weiter auf die Renaissance zurück mit ihrem Höhepunkt im Spätwerk Tizians und nachfolgend im Werk Rubens'. Erhaltene Mosaiken der römischen Antike zeigen jedoch eine viel frühere Anwendung, mit einem mutmaßlichen Ursprung in der verlorenen Malerei des klassisch-griechischen Altertums. (siehe auch klassische Kunst)

Die Farbmodulation fließt in die Arbeit aller bedeutenden Koloristen seit der Renaissance. Zeugnisse über diesen schwierigen Gegenstand sind aber nur sehr vereinzelt zu finden und zumeist mehr deskriptiv. Als Beispiel ein Wort Bachaumonts über Chardin (1767): "Seine Art zu malen ist seltsam. Er setzt eine Farbe nach der anderen hin, fast ohne sie zu mischen, so, dass seine Malerei etwas dem Mosaik gleicht ..."

Ein verbreiteter Fehler ist das Nichtunterscheiden der Farbmodulation von der Farbperspektive. Die Farbperspektive, das heißt die optische Vortäuschung räumlicher Tiefe beim Übergang der Farben von Warm (gelb, orange, rot) zu Kalt (blau, blaugrün, grün), ist nur ein Aspekt der Farbmodulation. Erst das Unterwerfen der Farbperspektive unter die Harmonie kann man Farbmodulation nennen. Cézanne fasst hier die Prinzipien der klassischen Malerei zusammen: "Es gibt keine Linie, es gibt keine Modellierung, es gibt nur Kontraste. Diese Kontraste werden aber nicht von Schwarz und Weiß hervorgebracht, sondern von Farbeindrücken. Aus der richtigen Beziehung zwischen den Farbtönen ergibt sich die Modellierung [hier statt Modulation]. Werden sie harmonisch nebeneinandergesetzt und sind vollständig vorhanden, modelliert sich das Bild von selbst."

Volumen (Tiefe, Relief usw.)

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Der Unterschied zwischen den einfachen Effekten der Perspektive (siehe etwa Paolo Uccello) und den großen Schwierigkeiten durch Zeichnung und Farbgebung ein Volumen zu geben ist, daß in die bloße Perspektive die Qualitäten der Harmonie nicht eingehen. Umgekehrt gehen die Gesetze der Perspektive in das Volumen ein, werden aber der Harmonie untergeordnet. Der Hoffnung eines leichten Zugangs zur Malerei mittels der mathematischen Perspektive ist denn auch oft direkt oder indirekt widersprochen worden. Winkelmann etwa notiert:Perspektiv und Komposition, und diese im eigentlichsten Verstande genommen, gründen sich auf festgesetzte Regeln; folglich ist alles dieses mechanisch, und es braucht's nur, wenn ich so reden darf, mechanische Seelen, die Werke einer solchen Kunst zu kennen und zu bewundern. Bei E.T.A. Hoffmann heißt es:… die sinnetäuschende Perspektive, hängt von genauer Berechnung ab, und so ist die Wirkung das Erzeugnis, nicht des genialen Gedankens, sondern nur mathematischer Spekulation.

Bei allen Lehren der Meister zur Perspektive sind ihre Ausführungen zur Harmonie nicht zu vergessen sondern zugrunde zu legen. Wiederum waren aber nicht alle Meister maßgebliche über ihre Epoche hinaus. Weit ab von der Entwicklung der maßgeblichen Schulen der Renaissance lehrt Dürer das einfarbige Modellieren:Item so du erhabn [räumlich, plastisch] wilt molen, so es das Gesicht betriegen söll, mußtu der Farben gar wohl bericht sein … Du mußt in solicher Gestalt molen ein rot Ding, daß es überall rot sei, desgeleichen mit allen Farben, und doch erhaben schein. Auch mit dem Schättigen desgeleichen halten, daß man nit sprech, ein schön Rot sei mit Schwarz beschissen. Deshalb hab acht, daß du ein jedliche Farb schättigst mit einer Farb, die sich dorzu vergeleich. … Wenn du sie [die gelbe Farbe die nur mit gelben Tönen abgesetzt werden soll] mit Grün oder Blob [blau] absetzt, so schlächts aus der Art und heißt nimmer gel [gelb], sunder es würd ein schillrete [schillernde] Farb doraus.

Seit Giotto findet sich wieder, wie in den Mosaiken und Malereien der Antike, das Schättigen oder Absetzen mit Farben, welche, wie Dürer ausdrückt:aus der Art schlagen. Die weiter wirkenden Meister der Neuzeit sind dem Erbe Giottos und der Antike gefolgt. Schwer kann man darum J. Rewald in seiner Geschichte des Impressionismus folgen, wenn er die Entdeckung des Volumens durch Renoir, Monet usw. nahelegt wenn er schreibt:Nach und nach gaben sie [die Impressionisten] das übliche Verfahren auf, die dritte Dimension durch das zunehmende Dunkelwerden der sogenannten Lokalfarbe, je mehr der Gegenstand sich von der Lichtquelle entfernte und in den Schatten rücke, zu suggerieren. Dieses übliche Verfahren war zwar noch zum meisten Teil das Verfahren Giottos, später das Dürers und der Akademien, aber gewiß nicht der Weg irgendeiner maßgeblichen Schule der Klassik. Renoir selbst korrigiert im Zitat die Rewaldsche Überschätzung der Freilichtmalerei im Anschluß. Dort kritisiert Renoir am Werk eines jungen Malers den Mangel an Volumen und verweist auf die Autorität der Natur und der Meister:Sehen Sie sich Tizian, Rubens an, wie lasiert ihre Schatten sind, so dünn, daß man hindurchsehen kann. Ein Schatten ist weder schwarz noch weiß. Er hat stets eine Farbe. Die Natur kennt nur Farben … .

Wenn also Michelangelo meint, daß die Malerei um so besser sei je plastischer [relievo], dann muß doch diese Illusion des Raums in jedem Punkt etwas viel Höherem unterworfen sein, nämlich der Harmonie:Doch wiewohl dies alles [die Heiligen und Landschaften der holländische Malerei] gewissen Augen wohl gefällt, so fehlt darin in Wahrheit doch die echte Kunst, das rechte Maß und das rechte Verhältnis, die Auswahl und die präzise Anordnung im Raum, und schließlich sogar Inhalt und Kraft.

Jourdain war bei seinem Cézannebesuch überrascht zu hören, daß er die meiste Anstrengung vor dem Motiv darauf verwende den Abstand zwischen dem Auge und dem Gegenstand fühlbar zu machen. Osthaus gegenüber sagt Cézanne:Die Hauptsache in einem Bild ist das Treffen der Distanz. Die Farbe muß den Sprung in die Tiefe ausdrücken. Daran erkenne man das Können des Malers. Und zu Vollard und auf dessen Portrait weisend:Mit der Schleife bin ich nicht ganz unzufrieden, aber hier, sehen sie, und er deutete auf eine Stelle im Bild, ist die Farbe Farbe geblieben und nicht Ausdruck der Tiefe. Courbet kritisiert eine Malerei einmal (1883):Das ist flach, das ist nicht modelliert, man würde sagen die Pik-Dame eines Kartenspiels, die grade aus dem Bad kommt.Für Delacroix hängt die ganze Neugeburt der Malerei an der Entfaltung des Volumens: Bei Tizian beginnt der Reichtum des Machens, der mit der Trockenheit seiner Vorgänger bricht und die Vollendung der Malerei bedeutet. Die Maler, welche von dieser primitiven Trockenheit ausgehn, wie sie bei den frühen, noch halb barbarischen Schulen ganz natürlich ist, kommen mir vor wie Erwachsene, welche, um sich den Schein des Echten zu geben, die Art und Weise der Kinder nachmachen. Der Reichtum Tizians, der das Ziel der Malerei ist … erinnert an die Antike.

Um die Mißverständnisse um das Volumen einzuschränken schlug Cézanne in einem bekannten Wort vor:Man sollte nicht sagen modellieren, sondern modulieren. Der Begriff der Farbmodulation (Malerei) hat sich aber kaum durchgesetzt. An seiner statt findet man heute hauptsächlich die Farbperspektive und die Luftperspektive. Begriffe die aber nur verschiedene Wirkungen der blauen Farbe beschreiben. Und so sind denn auch Cézannes Bemerkungen zum Blau Teil viel allgemeinerer Grundsätze:Es gibt keine Linie, es gibt keine Modellierung, es gibt nur Kontraste. Diese Kontraste werden aber nicht von Schwarz und Weiß erzeugt, sondern von Farbunterschieden. Aus der richtigen Beziehung der Farben ergibt sich die Modellierung. Sind die Farben harmonisch nebeneinander gesetzt, modelliert sich das Bild von selbst.

disegno (Zeichnung)

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Die Zeichnung ist zunächst nichts als die einfachste Form des Malens. Als Grundlage der klassischen Malerei ist sie also die Synthese ihrer Voraussetzungen: Kontemplation, Harmonie und Volumen. Der Renaissancebegriff des disegno geht über die heutige Zeichnung oder das Design gleichzeitig weit hinaus und schränkt aber diese Ausdehnung im Gegenzug viel weiter ein. Nach Vasari entspricht das disegno der Urgestalt oder dem Urbild jeder Naturerscheinung; es ist der Vater unserer drei Künste, Architektur, Bildhauerei und Malerei, entspringt dem Geist und holt aus allen Dingen ein allgemein geistiges Element (giudizio universale), gleich einer Form oder Idee aller Dinge der Natur (...) Und da aus dieser Erkenntnis eine bestimmte Vorstellung (concetto) entspringt und ein Urteil, das im Geiste die spätere, mit der Hand gestaltete und dann Zeichnung (disegno) genannte Sache formt, so darf man schließen, daß die Zeichnung nichts anderes ist als eine anschauliche Gestaltung und Klarlegung der Vorstellung (concetto), die man im Sinne hat.

Michelangelo scheint dieses Prinzip auf alles auszudehnen was man heute Kreativität nennen würde. Daher sein Widerspruch auf den Einwurf die Kunst sei im Krieg nicht von Nutzen:Gibt es wohl etwas, was in Geschäften und Unternehmungen des Krieges nützlicher wäre als die Malerei … Und weiter erklärt er in den Römischen Gesprächen (1538):Das Zeichnen, das man mit anderen Worten auch Entwerfen nennt, ist Quelle und Inbegriff der Malerei, der Bildhauerei, der Baukunst und jeder anderen Art des Malens. Es ist die Grundlage jeder Wissenschaft. Wer diese große Kunst beherrscht, der möge erkennen, daß ihm eine unvergleichliche Macht untertan ist. Er wird, mit nicht mehr als Feder und Pergament Dinge schaffen, die größer sind als alle Türme der Welt.

Die Worte Michelangelos kommen ganz natürlich auf das was über den Gegenstand des Zeichnenden weit hinausgeht. Ganz bestimmt meint er kein beliebiges Entwerfen. Es wird gelegentlich falsch wiederholt der Disegno-Begriff bezeichnete einfach die Entwurfsqualitäten ohne auf seine Einschränkung zu achten. Es ist aber das Zeichnen in allen Theorien der Renaissance das Mittel in dem sich die Idee Gottes konkretisieren soll. Die Zeichnung ist nach Leonardo eine Gottheit ... die alle sichtbaren Werke wiederholt. Es kommt dabei nicht darauf an göttliche Gleichnisse zu malen, wie etwa Heilige oder Gegenstände über die man nichts Schlechtes sagen kann(Michelangelo). Umgekehrt liegt das disegno darin, einen beliebigen Gegenstand - und sei es der Magen-Darmtrakt einer Leiche - so zu entwerfen oder zu komponieren, daß das Göttliche sichtbar gemacht wird.

Die Renaissance macht seit der Antike wieder möglich in einem Sinne vom Göttlichen, der Natur und der Wissenschaft zu reden. Leonardo sieht, gestützt auf altgriechische Lehren, in den vielen Wirkungen der Natur ein immer gleiches Gesetz:Jeder Vorgang in der Natur wird von der Natur in der kürzesten Zeit und Weise ausgeführt, die möglich ist: Jeder Antrieb strebt nach ewiger Dauer. Das beweist der Eindruck, den die Sonne im Auge des Beschauers erregt, oder den Eindruck des Klangs, den der Klöppel bei der Erschütterung der Glocke hervorruft. Jeder Eindruck strebt nach ewiger Dauer, wie es die Erscheinung der Bewegung beweist, die an dem bewegten Gegenstand haften bleibt. Mit der Perspektive, die ja gleichfalls alle sichtbaren Dinge einem (kürzesten) Sehgesetz unterworfen darstellt (Leonardo spricht hier von der Sehpyramide), scheint ein solches einheitliches Naturgesetz optisch hervorzutreten.

Delacroix vereinfacht diesen Zusammenhang einmal:Die Kunst der Verkürzungen oder der Perspektive und die Zeichnung sind ein und dasselbe. Das Eingehen der Harmonie in die Perspektive, das Delacroix hier übergeht, oft mit den Begriffen Volumen und Logik bezeichnet, hat das theoretische Denken der Meister immer wieder angezogen. Delacroix an anderer Stelle:Das Erhabene entsteht seltsamerweise in den meisten Fällen aus einem Nichtbeachten der Proportionen. … Ohne Kühnheit und selbst Verwegenheit keine Schönheit. … Eine zu vollkommene Proportion verhindert den Eindruck des Erhabenen. … Man muß ein Bild immer etwas verderben um es zu vollenden.Das Publikum seines Jahrhunderts und die Medaillenträger der Akademie haben in Delacroix denn auch, wenn überhaupt einen bedeutenden Maler, so bestimmt keinen Meister der Zeichnung und der Perspektive gesehen. Daß die Schwierigkeiten hier zu verstehen jedoch alt sind, belegen verschiedene Zeugnisse seit der Renaissance. Davon sich ein Wort Michelangelos besonders durch seine Offenheit auszeichnet:Da aber das gewöhnliche Volk, das keine Urteilskraft besitzt, immer das liebt, was es meiden sollte, und das tadelt, was verdiente, gelobt zu werden, so ist auch nicht verwunderlich, wenn es sich in der Malerei irrt, da diese Kunst sich nur hohen Geistern erschließt.

In Balzacs Erzählung Das unbekannte Meisterwerkbelehrt ein Meister den jungen Poussin:Streng gesagt gibt es keine Zeichnung! Lacht nicht, junger Mann! So sonderbar Euch dieses Wort auch erscheinen mag, Ihr werdet eines Tages einsehen, daß es begründet ist.Noch genauer als Balzacs Ausführungen im Anschluß die Worte Cézannes, die hier Theoretisches seit Leonardo zusammenfassen:Zeichnung und Farben unterscheiden sich nicht. Indem man malt zeichnet man. Je harmonischer die Farbe, desto genauer wird die Zeichnung. Wenn die Farbe ihren höchsten Reichtum erreicht, bekommt die Form ihre Fülle. Die Kontraste und Beziehungen zwischen den Farbtönen, das ist das Geheimnis der Zeichnung und der Modellierung.

  • Eugène DELACROIX: Journal (1822-1863)
  • H. WÖLFFLIN: "Die klassische Kunst" (1899); Concinnitas. Beiträge zum Problem des Klassischen.(1944); "Das Problem des Klassischen u. die Antike" (1930); "Kunstgeschichtliche Grundbegriffe" (1915)
  • J. GASQUET: Gespräche mit Cézanne
  • HEGEL G. W. F.: Ästhetik (1820/21)
  • BAUMGARTEN Alexander Gottlieb: Aesthetica (1750/ 58)
  • Leon Battista ALBERTI: Über die Malerei
  • Charles BATTEUEX: "Einschränkung der schönen Künste auf einen einzigen Grundsatz"
  • Edmund BURKE: Vom Erhabenen und Schönen. Philosophische Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen (1757)
  • Johann Wolfgang GOETHE: Über Laokoon (1798); Farbenlehre
  • Johann Georg SULZER: "Allgemeine Theorie der schönen Künste"
  • Johann Joachim WINCKELMANN: "Gedanken über die Nachahmung griechischer Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" (1755); "Geschichte der Kunst des Altertums" (1763): Vorrede. Von dem Wesentlichen der Kunst
  • SIMMEL: "Über die dritte Dimension in der Kunst" (1906)
  • Friedrich SCHILLER: "Über Bürgers Gedichte" (1791); "Über das Erhabene" (1793/94); "Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen"
  • Erwin PANOFSKY: "Idea, Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie" Berlin (1989)
  • Federico ZUCCAI: L’Idea de’Pittori, Scultori et Architetti, Torino (1607)
  • Wolfgang KEMP: Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft (19, 1974)
  • Leonardo da VINCI: Libro de Pittura
  • Lodovico DOLCE: Dialog über die Malerei(1557)
  • Giovan Paolo Lo mazzo: Libro dei Sogni(1564).
  • Ernest GRASSI: "Die Theorie des Schönen in der Antike" (1962)
  • ALBERTI: Drei Bücher über die Malerei (1435)
  • Baldassare CASTIGLIONE: Der Hofmann
  • Bernard de FONTANELLE: Totengespräche, Arti del disegno
  • FIORILLO: Geschichte der zeichnenden Künste(1798)
  • BURGER, Heinz Otto: Begriffsbestimmung der Klassik und des Klassischen(1972)
  • Pietro ACCOLTI: l'Inganno dell'occhio