Benutzer:Sargoth/Wikimania 2017

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Ausblick vom Amtrak Adirondack
Ausblick im Amtrak Adirondack

Montags dann die Abreise. Beim Vorbeilaufen am Sheraton - ich habe in einer günstigeren Unterkunft geschlafen - verabschiede ich mich dann noch von einigen Wikipedianern. Der Zug nach New York ist voll von Menschen im Wikimania-T-Shirt. Beim Halt in Albany machen sie noch ein Gruppenfoto. Drei Reihen vor mir deutschsprachige Wikimedia-Mitarbeitende, eine Reihe hinter mir britische Freiwillige, die über WikiData reden. Eine nette, entspannte Stimmung, und die Reise verläuft eher wie im Flug als wie im Bummelzug. Vor allem die Landschaft, die vorbeizieht! Riesige Seen, kleine überwachsene Tümpel, Kraniche, Bäume und Berge, kleine gepflegte Hopfen- und Maisfelder. Faszinierend und entspannend. Hätte ich nicht eine bedrückende Erfahrung mit den Customs gehabt, der Zollkontrolle und Einwanderungsbehörde. Ich hatte mir nämlich ein Visum besorgt, das mit 150 € ziemlich teuer ist (was ich vorher nicht wusste), um mir die Möglichkeit offenzuhalten, spontan einen billigen Flug zu nehmen. Da die aber immer teurer wurden, habe ich dann doch den Zug genommen, für den EU-Bürger*innen nicht einmal das ESTA brauchen. Folge dessen war ein peinliches Verhör an der Grenze durch die US-Behörden, die es superverdächtig fanden, dass ich ein Visum habe und mich mit tausenden von Fragen löcherten, die alle darauf zielten, dass ich ja illegal einwandern wolle. Klar, ich würde jederzeit die liberale Republik mit Vollversorgung von der Bahre bis zur Wiege mit der semidiktatorischen Ellbogengesellschaft tauschen. Nicht. An sich ist das keine große Sache gewesen, einen suchen sie halt raus, diesmal mich. Interessant war aber, dass die Grenzbeamtin, die mich verhörte, sich zwischendurch zu ihrem Kollegen umdrehte und drei-vier Angaben, die ich gemacht hatte, falsch wiedergab und sagte "he's lying", er lügt. Beispielweise mein Abreisedatum, wovon ich lebe, was ich in den USA wolle. Nachher habe ich gehört, dass das auch ein Trick der US-Polizei ist, einem Verdächtigen zu unterstellen, er lüge, und seine Angaben falsch wiederzugeben, um ihn zu verwirren und in die Ecke zu drängen. Zum Schluss weiß man wahrscheinlich gar nichts mehr. Darauf war ich gar nicht vorbereitet gewesen, bei meinen bisherigen Reisen fragten die Grenzbeamt*innen - selbst in China - nur besonders genau nach, versuchten aber nie, mich in Widersprüche zu verwickeln oder sagten in meinem Beisein eine*r Kolleg*in, dass ich lüge. Trumps Amerika.
Danke übrigens an Pharos, der mir die 6 $ Gebühr für das Verhör ausgelegt hat. Ich hatte nur Kreditkarte und Euro-Scheine dabei, aber der Customs besteht auf Bargeld.
Hiermit beende ich diesen Blog und freue mich, dass 50 Leute ihn gelesen haben, Falls ich irgendwas besser machen kann oder euch etwas gefallen hat, schreibt es auf die Diskussionsseite oder schickt eine Mail ein lächelnder Smiley 

Blick nach Süden

„The role of Wikimedia in emergency response“: Daniel Mietchen hat sich viele Gedanken darum gemacht, wie wir als Wikimedia-Community – Wikipedia, Wikisource, Commons usw., aber auch darüberhinaus z.B. mit der OSM-Community - eine positive Rolle bei Früherkennung und Nachbereitung von Katastrophen und Havarien spielen können, also bei Seuchenausbrüchen, Flugzeugabstürzen, Kraftwerksexplosionen, Meteoriteneinschlägen und was es noch alles für menschgemachte und natürliche Tragödien gibt. Das war mein einziger Hands-On-Workshop (ein Workshop, bei dem wirklich was gemacht wird und nicht nur zugehört). Wir beantworteten ein vorher mit vielen Möglichkeiten gespicktes Umfragetool namens allourideas.org und zum Schluss bildete sich sogar eine interessierte Usergruppe, die sich darum kümmern will, dass relevante Informationen verfügbar sind. Überhaupt Tools: einer der Lightning-Talks von Daniel Mietchen stellte die Jupyter-Notebooks vor, ein tolles Tool, das in Wikipedia verlinkt werden kann und Codes anzeigt.

Legal defence

Der Vortrag zu legal defence durch jrogers war sehr spannend und zeigte auf, wie die Rechtsabteilung der Foundation versucht, bedrängte Benutzer*innen zu unterstützen, die von Stalkern und Trollen verfolgt werden. Vorteil von Wikipedia ist, dass alle Änderungen lückenlos dokumentiert sind und daher gut als Beweis vor Gericht taugt, wiewohl es immer noch Richter*innen gibt, die keine Ahnung vom Internet haben. Off-Wiki ist das dann schwieriger, und es gilt hier alles zu sammeln, dem habhaft zu werden ist: Screenshots machen, E-Mails speichern usw. Wenn dann Täter und Opfer (oder Überlebende) noch im gleichen Land wohnen, kann juristisch einiges auch im Vorfeld oder statt eines Gerichtsverfahrens erreicht werden. Bis hin zum Sperren des Zugangs für Wikipedia für Computer von Schulen oder Arbeitsstätten beispielweise bei von dort erfolgten Morddrohungen. Von Off-Wiki-Belästigungen können wir in der deutschsprachigen Wikipedia ja auch einiges erzählen. Ist es tröstend, zu wissen, dass vergleichbare Fälle auch in den USA vorkommen (so erzählte ein ehemaliger Lehrer vom Online-Mobbing durch Schüler auf Wikipedia)? Nicht wirklich.
Die „Coolest Projects of Wikimedia Chapters“ ist ein Format, das bereits seit einigen Jahren immer wieder auf der Wikimania präsentiert wird und tatsächlich einfach die coolsten Projekte der verschieden Chapter vorstellt, die eine Vorjury ausgewählt hat. Ein Wikiwomen-Raum in Taiwan, ein israelischer Fotowettbewerb zwischen Schulen und vieles mehr, das „neu, mutig und kosteneffizient ist und es zudem Spaß macht, darüber zu reden“. Zum Schluss wird dann das allercoolste Projekt vom anwesenden Publikum gewählt. Mir war das aber zu lang, um zu warten, denn das Ganze wäre erst nach anderthalb Stunden zuende gewesen.
Vorhin habe ich schon die Lightning-Talks angesprochen, die 5-minütigen Vorträge. Fast eines der Lieblingsformate für geistige Zappelphillips wie mich: Wikimedia Amical, das Chapter aus Katalonien, hat in einer Zusammenarbeit mit einer Kunsthochschule viele Rekonstruktionszeichnungen für sonst nur spärlich oder wenig erhellend illustrierte Artikel vor allem aus der Ur- und Frühgeschichte bekommen können, aber auch Szenen des römischen Lebens, ausgestorbene Tiere und geologische Prozesse, die niemals fotografiert werden können, wurden so gezeichnet und in Artikel eingebunden.
Vor der abgesehen von netten Gesprächen mit Siesta und Christianvater nicht erwähnenswerten Closing Party im ehemaligen Zentralbahnhof „Gare Windsor“ die Closing Ceremony. Zahlen: 900 Teilnehmende aus 70 Ländern waren auf der Wikimania in Montréal 2017 dabei. Awesomes und Amazings. Viel Beifall, viele Rufe. Und „Alle so Yeahs“, dann eine großartige Jimmy-Show, mit einer exzellenten Präsentation des Wikijahrs. Erfolge, Verstorbene, Wikimedian des Jahres, Wikimedia User groups in VR China und Türkei, weitere Zahlen: Serbische WP hat 70.000 Artikel, das Metropolitain Museum hat 3,7 Mio Bilder veröffentlicht, es gibt 3 Mio $ Förderung zur Schaffung strukturierter Daten auf den Commons. Diego von sharingisnotacrime.org wird ehrenvoll erwähnt. Ist das neu? Den „Wikipedian of the Year“ kenne ich schon, aber die offizielle „Honorable Mention“? Zum Schluss wird das Orgateam der Wikimedia in Kapstadt 2018 durch Christophe Henner, den Boardvorsitzenden der Foundation vorgestellt: auch hier ein hübsches Promovideo, das Motto (oder sowas in der Art) ist Ubuntu, was soviel bedeutet wie „ich bin nur, weil ihr seid“, eine Art mystisch-philosophischer Begriff also. Schön war der Schluss der Ansprache vom Orgateam: „We welcome you to come home to Africa“ - wir heißen euch in eurer alten Heimat Afrika willkommen.

Noch ein Klavier!

Heute war der Tag der Kriminellen und des GLAM: Kriminalisiert werden könnten demnächst laut Susan Herman der Menschrechtsorganisation ACLU friedliche Demonstranten auf Gehwegen – denn das könnte, wenn die vielen Antiprotestgesetze passieren, die in vielen republikanischen Staaten der USA derzeit in der Mache sind, als „Blockieren von Gehwegen“ zu Protestzwecken und somit als lokaler Terrorismus gegen Verkehrswege gewertet werden. Außerdem sollen Anmeldende von Demonstrationen für jede Tat aus der Demonstration persönlich haften. Das Ganze zielt auf die Verhinderung jeglichen zivilgesellschaftlichen Engagements bzw. das Aushebeln des Rechts auf Versammlungsfreiheit. Nebenbei wird der Datenschutz durch den Patriots Act komplett ausgehebelt, die Sammelwut der US-amerikanischen Behörden scheint unermesslich. Und da man auf Grund der Geheimhaltung nicht beweisen kann, bespitzelt zu werden, kann man auch nicht dagegen klagen. Irgendwas läuft verdammt schief in den USA. Fällt einem wieder ein, wie seltsam es ist, dass Deutschland schleichend zum Leuchtturm von Liberalismus und Demokratie geworden ist.

Sci-Hub-Session

Den zweiten Part der Kriminalität – immer noch im Dienste von Freiheit und Wissen – steuerte das konspirative Interview mit Alexandra Elbakyan bei. Die „auf der ganzen Welt steckbrieflich gesuchte“ Gründerin von Sci-Hub war aus unbekanntem Ort subversiv über Skype zugeschaltet und berichtete von ihrer Software, ihrem Anspruch und ihrem Projekt. Mir ist es schon bekannt, deshalb war ich gespannt auf die Fragen. Aber irgendwie ist das Publikum oft mental nicht ganz so fit wie die Sprechenden: ob sie nicht von den Geheimdiensten unterstützt werde, wurde Alexandra gefragt, da es doch ohne staatliche Unterstützung solch ein Projekt niemals geben könne, was sie zum Lachen brachte. Die anderen Beiträge drehten sich darum, ob ihr Projekt Open Access in Gänze schade oder nutze, zuletzt war aber – vielleicht waren auch neben Verschwörungstheoretiker*innen nur Sympathisierende von Sci-Hub im Saal – die Stimmung die, dass SciHub Druck ausübe und dadurch Open Access fördere. Zudem hat ein Forscher 2 Millionen (!) Artikel auf Sci-Hub gefunden, die längst Public Domain sind und hinter einer Paywall unrechtmäßig per Schutzrechtsberühmung (Copyfraud) versteckt werden. Eine andere Frage zielte darauf, wieviel Elsevier zahlen müsse, um Sci-Hub übernehmen (und damit schließen) zu können. Auch hier lachte die Russin: sie stehe nicht zum Kauf. Die Software schließlich ist aus Sicherheitsgründen selbst nicht Open Source. Verständlich, reizte aber doch zum Schmunzeln.
Die dritte Kriminelle im Bunde war Esra'a Al Shafei, eine Aktivistin aus Bahrain. Selbst über das Internet sozialisiert, publiziert sie seit über 12 Jahren Musik-Apps, Chatforen, News-Websites und andere Plattformen zur sozialen Vernetzung anderer Kriminieller: LGBTIQ*, Sklavenarbeiter*innen (eigentlich zum Arbeiten gekommene Ausländer*innen, die über den Zwischenschritt Schuldknechtschaft in arabischen Arbeitslagern landen, aus dem sie im Leben nie mehr rauskommen), Menschenrechtsaktive, und die üblichen Verdächtigen wie Personen, die freie und geheime Wahlen, Presse- oder Versammlungsfreiheit fordern und dafür in Bahrain üblicherweise als Aufrührende hingerichtet werden. Wie soll man diese Misere bloß ertragen, ohne zynisch zu werden?
Zum Trost gibt es kleine Initiativen wie die Small GLAMs aus den Niederlanden. Mikromuseen mit nur 2,5 Angestellten mühen sich mit Edit-a-Thons und Uploadsessions ab, um ihre 2.000 teilweise unpublizierten Objekte, die zum Teil aus der Eisenzeit stammen, irgendwie in die Öffentlichkeit zu bringen. Wikipedia ist da ganz hilfreich, denn genau das wollen wir ja auch: Wissen bergen und zugänglich machen. Bei diesen kleinen GLAMs aber müssen teilweise erstmal die Bestände gesichtet, inventarisiert und mit Metadaten versehen werden.
Ja, und zudem gibt es viele Randgespräche. Ein Wikipedianer aus Toronto fragte mich, ob die Flüchtlingskrise wirklich so schlimm sei, wie es die nordamerikanischen Medien darstellten. Nein, sagte ich, höchstens für die Refugees, die stundenlang vor Behörden anstehen müssen, um ihrer Meldepflicht nachzukommen. Die autochthone Bevölkerung sei vor allem hilfsbereit und bringe Tee und Gebäck – allerdings seien die europäischen Medien in punkto Skandalisierung genauso gestrickt wie die nordamerikanische, und wenn die Boulevardmedien recht hätten, wäre täglich Götterdämmmerung. Der gleiche Kollege erzählte mir übrigens gestern, dass die Kanadier sich schon ein bißchen gefreut hätten, als Trump bei den G20 komplett ignoriert wurde. Denn mit den USA unter Obama sei wederum Kanada von der Welt komplett ignoriert gewesen (und habe zudem sein Wasser der 3 Millionen Seen für‘n Appel und‘n Ei an US-Konzerne verkauft), während es jetzt ein eigenes Handelsabkommen mit der EU habe und mit Krankenversicherung, öffentlichem Nahverkehr, Liberalismus und Redefreiheit wieder sehr angesehen sei und beachtet werde. Übrigens gab es einen superheftigen Schauer auf dem Weg zum Gruppenfoto. Die Hälfte der Leute ist wieder ins Hotel gerannt. Ich habe dafür mit etwa 20 Metern Entfernung den nächsten jemals gesehen Regenbogen erlebt.

Ausstellung zu Bassel Safadi, dem hingerichteten Aktivisten. Mit 3-D-Druck eines zerstörten Tetrapylon. #NEWPALMYRA

Session mit Jimmy Wales und Gabrielle Coleman. Von ihr habe ich mir eigentlich viel versprochen, aber ein solches Podiumsgespräch bringt dann doch nicht mehr als den Austausch längst publizierter Gedanken: „to resist to be biased against one site, and create a culture of responsibility.“ Ein Vergleich mit Indymedia und der Hinweis darauf, dass ein Grund für den Niedergang das rein virtuelle, das Fehlen realer Treffen sei. Ich weiß nicht, von welcher Indymedia sie spricht, bei de.indymedia.org und linksunten.indymedia.org gab es reale Treffen, von denen Protokolle berichten. Indymedia lebt noch, ein richtiges Medium zur Gegeninformation durch selbstgeschriebene Nachrichten war es nie …. zu guter Letzt: „it‘s important to have a diverse movement“. Stimmt selbstverständlich. :)

Wikimedia-2030-Präsentation (nicht erwähnt im Text): Brücken, Straßen, Dörfer bauen für Freies Wissen. Promo-Video Im Schnelldurchlauf.

Neue Metriken der Foundation zum Leserverhalten: es gibt eine halbe Million Printout-Klicks pro Tag. Die Foundation hat Zahlen zu verdächtigen Traffic-Einbrüchen, die auf Zensur (Stichworte China und Türkei) zurückzuführen sein könnten, veröffentlicht sie aber aus Datenschutzgründen nicht. Beim Vortrag zu den Marginalien … hm … Übersetzungen … jedenfalls zu Randländern ist mir ein Zitat im Kopf hängen geblieben: „It‘s important to know the country in order to know the local knowledge production“. Wir machen uns viel Gedanken um den hegemonialen Diskurs der westlichen akademischen Welt, und wie der anzugreifen ist. Aber was wissen wir über Kontext und Produktion von validen Belegen aus dem Rest der Welt? Das gilt aber auch lokal: ein Mitglied der First Nations berichtete über das Problem, den Artikel über Kalifornien in der enWP über die Geschichte der Region vor der rezenten spanisch-mexikanisch-us-amerikanischen Geschichte anzureichern. Scheinbar entstand Kalifornien erst vor wenigen hundert Jahren, zehntausende Jahre menschlicher Besiedlung als Randnotiz, nahezu unsichtbar. Eine weitere Session zur giftigen Umgebung, die manchmal in der WP herrscht, zielte auf das Finden von Lösungen, um der Lautstärke und Diskrimierung Einzelner zu begegnen. Überzeugende Antworten gab es nicht, eine Teilnehmerin forderte eine Top-Down/Polizei-Lösung. In Ausnahmefällen sei unser Konsens des Bottom-Up aufzuheben. Überzeugt mich ja so gar nicht. Der Vorschlag, private Spaces einzurchten, schon eher. Diese private Spaces werden dann aber doch auch von Stalkernetzwerken genutzt werden…. Ich denke, das wird uns noch lange beschäftigen, aber Autoritarismus und Geheimzellen (außer Bakunnische natürlich) sind mir suspekt.
Ich habe gelernt, dass nach einer seriösen Untersuchung 75,8% der ukrainischen Akademiker*innen skeptisch gegenüber der Wikipedia sind. Tja, aber eigentlich brauchen wir die: Akademiker*innen haben gute Quellen, bekommen valide Zusatzinformationen, beherrschen den Umgang mit Belegen und haben Zugriff auf neueste Literatur. Ein funktionierendes Projekt ist ein rein akademischer Wikipedia-Wettbewerb. Warum? Weil die Kritik einer Uni-Kolleg*in für sich allemal wertvoll ist, auch wenn wer anderes den Preis einheimst. ;) Mal schauen, ob wir sowas auf deWP importieren könnten.
Auch in einer der Lightning Talks traten die - im Übrigen schönerweise sehr präsenten – Probleme der First Nations zutage: gab es doch in Wikidata keinen Begriff für heilige Objekte, wie Steine, Hügel usw. Ein Stein wurde dort rein geographisch und physikalisch beschrieben und blendete damit die Hälfte seines Kontexts aus. Jetzt was Schönes für Admins: die Missbrauchfilter werden erweitert werden und man wird Notification von Usern „muten“ können, bedeutet soviel, in Bälde werden Pings einzelner Benutzer ausgeblendet werden können. Kein Danke-Stalking mehr.
Es gibt hier Pappbecher und normale Tassen. Warum nutzt die Hälfte der Teilnehmenden die ökologisch bedenklichen Pappbecher? Ein kleines Survey sollte mir wenigstens den Einblick erlauben, wer die pöhsen Gefäße benutzt, aber ich wurde enttäuscht: nicht die Amis nutzen nicht die Keramik, sondern ein Bulgare und ein anderer Europäer. Die richtige Tasse hielt eine Mitarbeiterin der WMF. :-o

Des Untergrunds wahre Schönheit

Heute geht es richtig los, es finden parallel der Hackathon, das WMCON-Follow up und das Treffen und Edithathon der nordamerikanischen Wikipedianer*nnen statt.
Die von Raimund Liebert und Veronika Krämer vorbereitete und geleitete Gesprächsrunde zum Volunteer support, also der Unterstützung Freiwilliger, drehte sich viel um den Austausch zum Alltäglichen, beispielsweise der Handhabe von Wikipedia-Mailadressen. Richtig spannend wurde es im theoretischen Teil. Intrinsische und extrinsische Motivation (letzteres ja ein beliebtes Forschungsfeld), Motivierung und Demotivation durch falsche Motivierungsbestrebungen. Dieser Themenkomplex wird dauerhaft zentral bleiben und das Niveau, auf dem sich der Volunteer Support darüber Gedanken macht und Literatur wälzt, war inspirierend. Außerdem gibt es inzwischen mit dem Volunteer Supporters Network (m:VSN) eine internationale Vernetzung. Sehr schön.
Abends gab es ein großartiges Essen und die Aufführung einer spärlich kostümierten indigenen Tänzerin. Ja, es ist nett, von ihr „im Territorium willkommen“ geheißen zu werden. Trotzdem wusste ich nicht, ob ich nicht irritiert sein soll. Obwohl sich ja alle sehr bemühen, Sprachwikis eröffnen, die Geschichte des Kolonialismus und Genozid aufarbeiten, Kulturschätze retten usw.
Der Absacker in einer Kneipe um die Ecke mit dem WMDE-Mitarbeitenden, Stipendiat*innen und einigen weiteren Gästen hat den Tag dann zum vollen Erfolg gemacht. Hier nochmal ein herzliches Dankeschön für die Möglichkeit der Teilnahme zur Fachdiskussion über India Pale Ale mit einem Ohio-State-University-Studenten, der Luft- und Raumfahrt studiert und perfektes Deutsch spricht.

Dienstag & Mittwoch

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Das Stipendiat*innen-Treffen
Ein Klavier! Ein Klavier!

Warum Dienstag und Mittwoch zusammen? Das Internetproblem. Ich möchte gerne öfter und zuverlässiger online sein, und einige Photos hochladen, aber das Sheraton hat ziemlich gedrosselt. Nächstes mal einen unabhängigen Datenvertrag abschließen, ist wohl die Lösung ;)
Auf dem Treffen der Stipendiat*innen von WMDE konnte ich schon erfahren, dass Wikipedia öfter totgesagt werden sollte: eine der Anwesenden hat gerade ihre Masterarbeit über eine indigene Sprache Quebecs geschrieben und gleich das dazu passende Wikipedia-Projekt durch den Inkubator gejagt. Gestern und heute sind die nordamerikanischen Freiwilligen dabei, das Projekt zu beleben und damit wird eine von hunderten indigener Sprachen Nordamerikas nicht nur konserviert, sondern frisch zubereitet.
Beim Mittagessen unterhielten sich zwei langjährige Wikipedianer über unsere deWP-Regularien. Als ob sie sie nicht selbst entwickelt hätten. Selbst nach über 10 Jahren noch ist die Diskussion also nicht abgeschlossen, das Herz begehrt immer noch, unsere Vereinbarungen leicht verständlich und nachvollziehbar zu machen, und dennoch die Validität der Artikel zu erhöhen.
Abends war ich ein bißchen unterwegs, es ist für einen Europäer ungewöhnlich, dass die ganzen Bars und Restaurants viereckige Locations in viereckigen Häusern in viereckigen Blocks sind. Irgendwie fehlt einem da das schräge, individuelle, originelle. Tröstend ist aber: sobald man drinsitzt im Laden, ist er doch jeweils besonders und unterschiedlich. Übrigens hat mich bisher niemand böse oder aggressiv angeschaut. Alle sind irgendwie entspannt, chillig und locker. Irgendwas Hinterhältiges müssen die doch planen .... oder ist das nur mein europäisches Misstrauen?!

Blick nach Norden

Der Abreisetag begann bereits spannend, da ich auf dem Flughafen einige Wikimedianer getroffen habe und mich vor allem über Ziel 1, die Gewinnung und Haltung von Freiwilligen, aber auch die neuen Strategien von Wikimedia Deutschland überhaupt unterhalten konnte. Statt fester Ziele gibt es nun Handlungsräume, statt eines Jahresplans einen Jahresprozess. Näher an der Realität und zudem einer NGO angemessen, finde ich. Mit Cornelius Kibelka, Daniel Kinzler, Lydia Pintscher und Birgit Müller.
Das sog. Hotel ist leider enttäuschend: kein WiFi, Schmutz unter dem Notbett - aber heißes Wasser, eine gute Matratze und eine wunderbare Aussicht von der kleinen Terasse. Viel besser ist das WLan im Sheraton aber auch nicht, wie ich gerade feststelle. Übrigens sind die Karten gewestet, nicht genordet. Alle laufen mit schräg gehaltenen Stadtplänen rum ein lächelnder Smiley 

1.000 kanadische Dollar. Das Hostel nimmt nur Bares

Diese Seite dient als - hoffentlich nicht allzu langweiliges - Protokoll meiner Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Wikimania 2017 in Montréal. Das Stipendium von Wikimedia Deutschland für Freiwillige der Wikimedia-Projekte hat mir die Teilnahme ermöglicht, wofür ich sehr dankbar bin.

Commons: Wikimania 2017 by Sargoth – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien