Diskussion:Elisabeth Rethberg

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Klasse,

nur warum steht das denn auf der Diskussionsseite und nicht auf der Artikelseite?

Gruß --Jonnie 16:11, 20. Apr 2006 (CEST)


Primadonna aus Schwarzenberg

Von Gotthard B. Schicker


Über die weltberühmte Sängerin Elisabeth Rethberg – die “Erzgebirgische Nachtigall“


Anders als bei jenen Künstlern, die der Nachwelt ihre Bilder, ihre Bücher oder ihre Musik hinterlassen können, ist es bei denen, die mit ihrer Stimme Kunstwerke produzieren, bzw. reproduzieren. Meist ist nach ihrem Tod auch der Ruhm verrauscht, den sie zu Lebzeiten genießen konnten. Nur ganz wenigen Ausnahmen aus dieser Zeit ist es in der jüngeren Geschichte – dank der Entwicklung der Tontechnik – vergönnt gewesen, stimmlich zu überleben. Aber auch hier geben die Schallplattenaufnahmen oder die “gereinigten“ CD-Einspielungen z.B. eines Caruso, Gigli oder der Callas nur einen geringen Eindruck von der Originalstimme wieder. Oftmals sind wir vom Widerspruch zwischen dem auf den Tonträgern Gehörtem und den aufgeschriebenen, teilweise euphorischen Äußerungen in Kritiken aus jener Zeit verunsichert. Nicht anders ergeht es uns mit der am 22. September 1894 im erzgebirgischen Schwarzenberg geborenen Elisabeth Sättler, die sich erst später den Künstlernamen Rethberg zulegte. Auch bei ihrer Stimme überstürzt sich die Kunstkritik – als die oftmals einzige authentische Quelle – in Superlativen über die Stimme und Ausstrahlungskraft unserer “Erzgebirgischen Nachtigall“, - wie sie später in ihrer Heimat, aber auch im Ausland, oft genannt wurde.

Stellt man die technischen Voraussetzungen bei den wenigen noch vorhandenen Plattenaufnahmen mit Elisabeth Rethberg in Rechnung, so ist dennoch der Glanz einer einmaligen, außergewöhnlichen Stimme zu vernehmen, die dem damaligen allgemeinen Kunstlob durchaus entspricht. Die “Perle des Erzgebirges“, wie Schwarzenberg gern genannt wird, ist die Heimatstadt von Elisbeth Rethberg. Im Haus der Amalie von Elterlein, der Dichterin unseres Heiligabendliedes (Heiligohmdlied), wohnten die Eltern von Elisabeth fast 20 Jahre, bevor sie in das schöne Gebäude in der Obergasse, den Kugelhammer, einzogen und dort ihrer Tochter das Leben schenkten. Sicherlich haben der klavier- und orgelspielende Vater, Karl Gustav Sättler aus Rittersgrün, sowie die Mutter, Johanna Emanuela, geb. Müller aus Gröba bei Riesa, mit der ihr nachgesagten wundervollen Sopranstimme, beträchtlichen Anteil an der musischen Ausprägung der künstlerischen Persönlichkeit des späteren Weltstars.

Darüber hinaus wird auch das gutbürgerliche Schwarzenberger Umfeld mit dazu beigetragen haben, Voraussetzungen für die spätere Entwicklung der Sängerinnen-Karriere zu schaffen. So waren für die Taufe am 30. Oktober 1894 als Paten die Fabrikbesitzer Paul Lein aus Pirna, der Schneidemühlenbesitzer Guido Sternkopf aus Rittersgrün, der Oberlehrer Richard Schneider aus Raschau, der Kaufmann Woldemar Schneider aus Schönheide sowie der Fabrikbesitzer Matthias Kalb aus Schwarzenberg erwählt worden. Noch bevor Elisabeth im Jahre 1901 in die Schule kam, nahm sie beim Selektenschuloberlehrer Sättler, ihrem Vater, den ersten Klavierunterricht. Sie brachte es auf diesem Instrument so weit, daß man erwog, sie zur Konzertpianistin ausbilden zu lassen. Nach ihrer Konfirmation im Jahre 1909 in der Schwarzenberger Georgenkirche entfalteten sich ihre gesanglichen Begabungen zusehends, so daß die 17jährige in einem öffentlichen Konzert, von ihrer Schwester Käthe auf dem Klavier begleitet, Lieder von Franz Liszt zu Gehör brachte. Die Kritiker der Lokalpresse ließ dies aufhorchen. Die erste Rezension über sie erschien im “Erzgebirgischen Volksfreund“, Nr. 283/1911:

“Schwarzenberg, den 4. Dezember 1911. Lißt-Abend. (...) Die Sologesänge, wahre Perlen lißtscher Musik, wurden von Frl. Lisbeth Sättler trotz ihrer großen Jugend musterhaft wiedergegeben; namentlich die eben so schwere wie dankbare Loreley, bei welcher sicherste rhythmische Beherrschung, tadellose Reinheit des Tones in allen Lagen, in einer technischen Vollendung, um die sie manche berufene Sängerin beneiden könnte.“ Während ihres einjährigen Studiums am Dresdner Konservatorium hat sie sich dann zwischen der Pianisten- oder Sängerinnenlaufbahn entscheiden müssen. Sie nahm ab jetzt den zweiten Entwicklungsweg energisch in Angriff und wurde bereits 1915 – nun unter Zulegung des Künstlernamens Rethberg sowie nach einer Reihe autodidaktischer gesanglicher Weiterbildungen – an die Dresdner Hofoper engagiert. Mit 21 Jahren sang sie an diesem traditionsreichen Opernhaus, dem sie sieben Jahre die Treue hielt, ihre erste Partie: Die Arsena im “Zigeunerbaron“.

Nach dem Tod der Mutter am 3. Dezember 1914 zog der Vater mit seiner anderen Tochter Käthe 1915 nach Dresden, in die Franklinstraße 32, um in der Nähe seiner Jüngsten zu sein und deren künstlerische Laufbahn weiter zu begleiten. Nur wenige Jahre vergingen und Elisabeth Rethberg hatte sich ein Repertoire von mehr als einhundert Partieen aus Oper, Operette und Oratorium erarbeitet, das sie zur gefeierten Sängerin Dresdens werden ließ. So bleiben Einladungen zu Gastspielen in andere berühmte Häuser nicht aus. Richard Strauss wollte sie gleich nach der Erstaufführung seiner Oper “Frau ohne Schatten“, in der sie die Kaiserin sang, an die Staatsoper nach Wien verpflichten. Der bekannte Dirigent Artur Nikisch holte sie 1919 zum Neujahrskonzert in das Leipziger Gewandthaus. Gastspiele nach Riga, Stockholm, Wien und London schlossen sich an. Es kam eine Einladung, die wohl von jedem Sänger insgeheim erträumt wird, die aber nur die wirklich ganz großen erhalten: Eine Verpflichtung an die Metropolitan Opera in New York, dem wohl bedeutendsten Opernhaus der Welt. Dort mit ihrem Leherer Otto Wtrin angekommen, mußte sie – noch im Reisemantel – in einer “Aida“-Probe ihr Können unter Beweis stellen. Bereits nach der ersten Arie klatschte ihr das Orchester spontan Beifall. Diese Debüt im “Heiligen Gral der Gesangskunst“ war prägend für die weitere künstlerische und persönliche Entwicklung unserer Erzgebirgerin.

Bezogen auf die Probleme, die sich für das Ensemble der “Met“ durch den Weggang der berühmten italienischen Sängerin Fräulein Muzio ergaben, kommentierte die “New Yorker Staatszeitung“ in ihrer Ausgabe vom 1. Januar 1923 offensichtlich erleichtert mit den Worten: “Die Antwort ist da: er (Anm. d. A.: Generealdirektor Gatti-Casazza) brachte Elisabeth Rethberg, eine der jüngeren, aber vielverheißenden deutschen Sängerinnen lyrisch-dramatischer Art hierher und setzte sie, die bisher keine italienische Opernvergangenheit gehabt hatte, keck mitten in das italienische Ensemble des Metropolitan hinein. Das Wagnis glückte, denn die schöne Erscheinung, die ausgesprochene Musikalität, das wunderschöne, in seiner Ausgeglichenheit einer Perlenschnur gleichende Organ mit seinem herrlichen Diamantenglanz und die spielerische Begabung nahmen sofort für die junge Dame ein. Herr Gatti-Casazza hatte Recht: die italienische Primadonna ist da, - er hat sie sich aus Deutschland bezogen.“

Fast alle nun folgenden Rezensionen bewegen sich auf diesem euphorischen Niveau; das ist um so erstaunlicher, da die Musik-Kritiker in den USA – damals wie heute – als ausgesprochen sachkundige Rezensenten und eben solche “Verriß-Produzenten“ von den Sängern gefürchtet waren. Die Rethberg gehört zu den selten Ausnahmen, bei der sich die Fachwelt in Europa und in den USA einig darüber war, daß man es bei ihr mit einer Künstlerpersönlichkeit zu tun hat, die in ihrer überragenden Einmaligkeit Maßstäbe für kommende Generationen gesetzt hat, und die über eine Gesangskultur verfügte, die noch heute Studierenden als Orientierung dienen kann. Zwanzig Spielzeiten hindurch gehörte sie zu den berühmtesten Mitgliedern dieses Opernhauses. Unter den 35 Hauptrollen, die sie in dieser Zeit gestaltet, gehören zu ihren Glanzpartien u.a. die Desdemona im “Othello“, die Leonora in “Die Macht des Schicksals“ und im “Troubatour“, aber auch die Agathe, Elsa, Pamina, Donna Anna... – und immer wieder die Aida. “Es ist zweifelhaft, ob die Rolle mit einer feineren Intelligenz dargestellt worden ist...“ – schreibt der “Sheffield Telegraph“ über Rethberg in der Aufführung der “Aida“ in der Covent Garden Opera in London am 18. Juni 1925. Und “The Star“ meint am 3. Juli 1925 über die Rethberg: “Dieser Triumph von ihr – Covent Garden wurde wild vor Entzücken – krönt die Großtaten von einer Reihe außergewöhnlich begabten weiblichen Sänger in dieser Saison. Die ersten Sängerinnen aller Nationen waren vertreten, und von allen die beste war Elisabeth Rethberg.“ Die Fülle ihrer Gastspiele z.B. an die Mailänder Scala, zu den Salzburger Festspielen und in alle bedeutenden Musikzentren der Welt, sowie die begeisterten Rezensionen in der örtlichen und überregionalen Presse können allerdings hier nur andeutungsweise wiedergegeben werden.

Doch bei all ihrem Erfolg in der Ferne, riß ihre Verbindung zur erzgebirgischen Heimat niemals ganz ab. Die Sehnsucht nach ihrem Erzgebirge kommt auch im Umgang mit den Traditionen, Sitten und Gebräuchen ihrer Heimat zum Ausdruck. Es ist bekannt, daß sie zur Weihnachtszeit auch auf der anderen Seite des “Großen Teiches“ ihre Pyramide, Engel und Bergmann, einen Schwibbogen sowie zahlreiche Räuchermännln aufgestellt hat und und ie alten Lieder von zu Hause sang. In den Erinnerungen (“Das war mein Teil“, Berlin 1981) von Frida Leider (1888-1975) einer anderen großen Opernsängerin, mit der Elisabeth Rethberg in New York auf der Bühne stand und mit der sie befreundet war, heißt es an einer Stelle: “Wie jedes Jahr, gab auch in diesem Winter meine Kollegin, die berühmte Sängerin Elisabeth Rethberg, eine große Gesellschaft, zu der auch mein Mann und ich eingeladen waren. Bei dieser Gelegenheit besichtigten wir ihr schönes und originell eingerichtetes Haus am Riverside. Ursprünglich war es eine alte, ausgediente Mühle, die sie zu einem kleinen Bungalow ausgebaut und von Jahr zu Jahr erweitert und aufgestockt hatte. Die nachtblau getönte und mit goldenen Sternen bemalt Decke des großen Speisenraums wölbte sich wie ein Himmel. In der Küche war ein Podest eingebaut – mit einer wundervollen Aussicht auf den Fluß – als Ruheplatz für ihr Personal, das übrigens in jahrelanger Treue zu ihr gehalten hat. Die Kellerräume waren in sehr gemütliche Bauernstuben verwandelt worden...“. Es ist dringend anzunehmen, daß es sich bei den “sehr gemütlichen Bauernstuben“ im Haus der Erzgebirgerin Rethberg um nichts anderes als eine erzgebirgische “Hutznstub“ gehandelt haben dürfte, wie sie so manch einer auch noch heutzutage in der Ferne errichtet, um die Verbindung zur Heimat faßbar aufrecht zu erhalten. Es ist bekannt, daß die allzeit bescheiden gebliebene große Sängerin Rethberg jede nur passende Gelegenheit nutzte, um in ihre Heimat zu reisen. Der Weg führte sie dann oft nach Dresden, aber auch hinauf in ihre Elten- und Heimatstadt Schwarzenberg. Bei einem solchen Besuch auf Schloß Wolfsbrunn im Jahre 1922 lernte sie auch ihren ersten Mann, den Industriellen Albert Doman, kennen, mit dem sie bis 1937 in den USA lebte. Erst zwanzig Jahre später heiratete sie den russischen Bariton George Cehanovsky, der von 1926 bis 1962 am New Yorker Opernhaus verpflichtet war; übrigens die längste Karriere, die jemals ein Sänger hier hatte.


Spekulationen, die ihren Weggang aus Deutschland trotz Angebote seitens der Deutschen Staatsoper Berlin in einen Zusammenhang mit ihre angeblichen “nichtarischen“ Herkunft sehen wollen, können aus den vorliegenden Quellen nicht bestätigt werden. Zweifel kommen allerdings wieder auf, wenn man diesbezügliche Äußerungen näher untersucht, die von den oberflächlich vorgehenden Biographen Hentschel und Friedrich 1928 verbreitet wurden. Dem würde allerdings widersprechen, daß sich die Deutsche Botschaft in den USA in intensiver Weise darum bemühte, Frau Rethberg als die “deutsche Botschafterin in den Vereinigten Staaten“ durch Herrn Freiherr von Maltzahn gegenüber dem damaligen amerikanischen Präsidenten Coolidge anzupreisen. Sicher bedurfte das angeschlagene Image der Deutschen nach dem 1. Weltkrieg solcher “Botschaften“, und die Künste sowie ihre Vermittler waren zu allen Zeiten willkommene Mittel zum Zweck. Insofern wäre es denkbar gewesen, sich auch in diesem Falle – wie in so manch anderem auch - über den selbstverordneten nationalsozialistischen Codex kurzzeitig hinwegzusetzen und Elisabeth Rethberg in diesem Sinne zu “gebrauchen“. Hier ist allerdings die Quellenlage äußerst spärlich, so daß sich weitere Vermutungen verbieten.

Wie die Ergebnisse künftig auch ausfallen werden, gesichert ist, daß wir es bei Elisabeth Rethberg mit einer überragenden Sängerinnen-Persönlichkeit ihrer Zeit zu tun haben, die mit ihrem Nachruhm – ob in den vorhandenen Rezensionen, oder in den nicht sehr zahlreichen Tonaufnahmen – weiterleben wird. Im Jahre 1942 ist in einem Büchlein “Singers to Remember“ von Herold Simpson, erschienen im Verlag The Oekwood Press lakonisch vermerkt “A short and dignified – speech from... (Eine kurze und würdevolle Rede von der Bühne der Metropolitan Opera beendete die Karriere von E. Rethberg, Soprano Assoluta)“. Und in der italienischen Ausgabe des Artikels über “Elisabeth Rethberg, Le grandi voci“ (Rom, 1964) wird auf ein wesentliches Ereignis in ihrer Künstlerlaufbahn eingegangen, nämlich auf die 1929 erfolgte Verleihung der Goldmedaille die “New York Guild of Vocal Teachers“, der etwa 3.000 Fachkundig unterschiedlichster Nationen und deren Beschluß damit Elisabeth Retberg “In Anerkennung ihrer Stellung als vollkommenste Gesangskünstlerin der Welt“ zu ehren. Mit 82 Jahren, am 7. Juni 1976, ist die “Erzgebirgische Nachtigall“ Elisabeth Rethberg (Sättler) in Yorktow Heights Nr. 4 verstorben.

Ton-Aufnahmen von Elisabeth Rethberg existieren u.a. bei den Firmen ASCO, RCA und HMV/HQM; bei ODEON gibt es eine Aufnahme mit ihr als “Che shir Cat“ aus “Alice im Wunderland“. Bei der selben Firma gibt es einen Zusammenschnitt (bearbeitet 1978) auf dem die Rethberg mit Tauber, Gigli und Pinza zu hören ist. Weiter Discographien bei J.B. Richards, VII (1953), Recordings, Record Collektor, VII (1953); kleine Auswahl auch bei Bole & Bock im Berliner Europ-Center unter der Reihe “Lebendige Vergangenheit“ (u.a Aufnahmen von 1930, (LV 1309).


Gotthard B. Schicker