Modelle überlappender Generationen

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Abb. 1: Grundstruktur eines OLG-Modells: Jede Generation lebt für eine gewisse Zeit (hier: zwei Perioden); die Jungen aus der neuen Generation (orange) koexistieren mit den Alten aus der Vorgängergeneration (blau).

Als Modelle überlappender Generationen oder Overlapping-Generations-Modelle (OLG-Modelle) bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre eine bestimmte Klasse von theoretischen Modellen, die die langfristige Entwicklung einer Volkswirtschaft beschreiben. OLG-Modelle sind dadurch charakterisiert, dass Individuen in Generationen zusammengefasst werden, wobei über einen unendlichen Zeithorizont hinweg jede Generation stets für eine gewisse (endliche) Zeit lebt und jeweils Lebensabschnitte (etwa „jung“ und „alt“) durchläuft; namensgebend ist die Tatsache, dass stets mindestens zwei Generationen zur gleichen Zeit (jeweils in verschiedenen Lebensabschnitten) am Leben sind, was einem „Überlappen“ der Generationen gleichkommt.

Grundmodell in reiner Tauschwirtschaft (Samuelson-Modell)

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Abb. 2: Auswirkung einer Erhöhung des Bevölkerungswachstums.

Samuelson (1958[1]) geht von einem einfachen Szenario aus, in dem Individuen über eine bestimmte Anfangsausstattung von einem Gut verfügen, die sie nicht von einer Periode in die nächste übernehmen können; mit anderen Worten beträgt die Haltbarkeit der Ausstattung genau eine Periode oder, in Samuelsons Formulierung, der Zinssatz beträgt −1.[2] Die Zeit wird als diskret und unendlich angenommen; die betrachteten Perioden seien durch gegeben. Man nehme nun wie üblich an, dass ein Individuum zwei Perioden lang lebt. Jede Generation bestehe aus Individuen und der intertemporale Ausstattungsvektor jedes Individuums der Generation t sei durch gegeben, wobei für die Ausstattung im ersten Lebensabschnitt („jung“) und für diejenige im zweiten Lebensabschnitt („alt“) steht; analog definiert ist der intertemporale Konsumvektor jedes Individuums der Generation t, . Die intertemporale Nutzenfunktion laute und sei, entsprechend gängigen Annahmen, streng monoton steigend, strikt konkav und zweimal stetig differenzierbar (jeweils in beiden Argumenten). Die so beschriebene OLG-Ökonomie unterliegt in Periode t der (aggregierten) Budgetbeschränkung

,

die folgendermaßen zu verstehen ist: Der Konsum aller „Alten“ aus der Vorgängergeneration zuzüglich dem Konsum aller „Jungen“ aus der aktuellen Generation (mithin also der gesamte Konsum aller lebenden Individuen) muss gerade der gegenwärtigen Ausstattung aller lebenden Individuen entsprechen.

Stellt man die Gleichung unter Zuhilfenahme der Wachstumsrate der Bevölkerung, , um, ergibt sich die folgende äquivalente, einer sinnvollen graphischen Darstellung jedoch leichter zugängliche Form:

Sie illustriert die generationsübergreifende Interdependenz, die das OLG-Modell ausmacht: Sämtlicher Konsum der alten Bevölkerung, der deren eigene Ausstattung übersteigt, finanziert sich in vollem Umfang aus der kompletten Ersparnis der jüngeren Bevölkerung.[3] Abb. 2 veranschaulicht dies. Wenn jede in t lebende Generation exakt in Höhe ihrer Ausstattung konsumiert, befindet man sich im so genannten Ausstattungspunkt . Eine exogen veranlasste Umverteilung des Pro-Kopf-Konsums der jungen Generation um eine Einheit zugunsten der alten Generation (Bewegung nach links oben), brächte für diese einen Pro-Kopf-Konsumanstieg um mit sich. Änderungen am Bevölkerungswachstum führen zu einer Drehung der Budgetlinie um .

Modell mit Produktion

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Diamond (1965[4]) erweitert das Grundmodell um Unternehmen und eine Produktionstechnologie und analysiert damit die Auswirkungen von Staatsverschuldung. Die spätere Literatur stützt sich oft auf dieses erweiterte Modell, das in der Literatur nach seinem Urheber, dem Nobelpreisträger Peter A. Diamond, als Diamond-Modell bezeichnet wird.

Nutzenfunktion im OLG-Modell

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Im OLG-Modell mit Subsistenzkonsum kann der Lebenszeitnutzen der Haushalte durch folgende Nutzenfunktion beschrieben werden

Repräsentationen:

bezeichnet den Konsum der Haushalte in Periode
bezeichnet den Konsum der Haushalte in Periode
bezeichnet den Subsistenzkonsum
  • Charalambos D. Aliprantis, Donald J. Brown und Owen Burkishaw: Existence and Optimality of Competitive Equilibria. Springer, Berlin u. a. 1989, ISBN 3-540-50811-2. [Kapitel 5, S. 229–271]
  • Truman F. Bewley: General Equilibrium, Overlapping Generations Models, and Optimal Growth Theory. Harvard University Press, Cambridge und London 2007, ISBN 978-0-674-02288-1. [Kapitel 9 und 10, S. 360–589]
  • Karl Farmer und Matthias Schelnast: Growth and International Trade. An Introduction to the Overlapping Generations Approach. Springer, Heidelberg u. a. 2013, ISBN 978-3-642-33668-3 (E-Book: doi:10.1007/978-3-642-33669-0).
  • John Geanakoplos: Overlapping generations model of general equilibrium. In: Steven N. Durlauf und Lawrence E. Blume (Hrsg.): The New Palgrave Dictionary of Economics. 2. Auflage. Palgrave Macmillan 2008, doi:10.1057/9780230226203.1236 (Online-Ausgabe).
  • Lars Ljungqvist und Thomas J. Sargent: Recursive Macroeconomic Theory. 3. Auflage. MIT Press, Cambridge und London 2012, ISBN 978-0-262-01874-6. [Kapitel 9, S. 315–362]
  • Mich Tvede: Overlapping Generations Economies. Palgrave Macmillan, New York 2010, ISBN 978-0-230-24334-7.
  • Philippe Weil: Overlapping Generations: The First Jubilee. In: Journal of Economic Perspectives. 22, Nr. 4, 2008, S. 115–143, doi:10.1257/jep.22.4.115 (frei zugänglich unter http://www.philippeweil.com/research/OLGjubilee.pdf, abgerufen am 13. August 2013). [Grundmodell und Literaturübersicht]
  1. Paul A. Samuelson: An Exact Consumption-Loan Model of Interest With or Without the Social Contrivance of Money. In: Journal of Political Economy. 66, Nr. 6, 1958, S. 467–482 (JSTOR:1826989).
  2. Die nachfolgende Darstellung weicht von Samuelsons Modellsetting freilich in verschiedener Hinsicht ab. Samuelson geht etwa davon aus, dass Individuen drei Perioden leben und setzt voraus, dass sie in ihrem letzten Lebensabschnitt über eine Ausstattung von null verfügen.
  3. Falls dies nicht intuitiv erscheint, bedenke man, dass nach Definition der Wachstumsrate.
  4. Peter A. Diamond: National Debt in a Neoclassical Growth Model. In: The American Economic Review. 55, Nr. 5, 1965, S. 1126–1150 (JSTOR:1809231) (auch kostenfrei online: PDF-Datei (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aeaweb.org, 0,7 MB).